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Vergaberecht: „Wirtschaftliche und finanzielle Leistungsfähigkeit“ - 06/2005

Öffentliche Auftraggeber dürfen nach dem Bundesvergabegesetz (BVergG) Aufträge nur an leistungsfähige Unternehmer vergeben. Dabei ist insbesondere die wirtschaftliche (finanzielle) Leistungsfähigkeit zu prüfen.

Öffentliche Auftraggeber, die diese Prüfung nicht ordnungsgemäß durchführen, machen ihre Vergabe anfechtbar.

Als Maßstab für die erforderliche „wirtschaftliche Leistungsfähigkeit“ ist immer der jeweils zu vergebende Auftrag heranzuziehen. Öffentlichen Auftraggebern ist daher zu empfehlen, in Ausschreibungsunterlagen entsprechende Mindestkriterien zu definieren, die erfüllt sein müssen, damit ein Bieter im Zusammenhang mit dem konkreten Auftrag als „wirtschaftlich leistungsfähig“ angesehen wird.

Als Bescheinigungsmittel kommen eine Fülle von Unterlagen und Informationen in Frage, z.B. bankmäßige Bonitätsauskünfte, Nachweis einer Berufshaftpflichtversicherungsdeckung, veröffentlichungspflichtige Bilanzen und Bilanzauszüge, Erklärungen über den Gesamtumsatz oder spartenspezifischen Umsatz, Kontoauszüge von Finanz- und Sozialversicherungsanstalten, Angaben über Anzahl der beschäftigten Dienstnehmer, Unternehmensbeteiligungen usw., usw. Ausdrücklich möchte ich festhalten, dass diese Aufzählung nicht vollständig bzw. abschließend ist. Es sind noch andere Informationen vorstellbar, die zur Prüfung der „wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit“ herangezogen werden können. Wichtig ist eben, dass in diesem Punkt für den Auftraggeber eine verlässliche Kontrolle dieses Faktums ermöglicht wird. Zu beachten ist auch, dass ausländische Unternehmen bei dieser Prüfung der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit nicht diskriminiert werden. Von ihnen kann z.B. zusätzlich der Erlag einer Sicherungsleistung verlangt werden.

Manche öffentlichen Auftraggeber stellen auf das Verhältnis des Auftragswertes zum durchschnittlichen Jahresumsatz des Bieters in den letzten drei Jahren ab. In diesem Zusammenhang wurden beispielsweise Verhältniswerte von 1:5 oder 1:2 genannt. Nach einer Entscheidung des Bundesvergabeamtes ist das Projektrisiko jedenfalls dann zu hoch, wenn der Wert des Auftrages den Jahresumsatz des Bieters übersteigt. Ein weiterer Aspekt für die Prüfung der Potenz des Auftragnehmers kann die Projektdauer sein. Zieht sich nämlich die Realisierung des Auftrages z.B. mehrere Jahre hin, dann ist auch die zukünftige Entwicklung der wirtschaftlichen Situation des Auftragnehmers ein Thema. Wie sich ein Unternehmen in Zukunft entwickelt, ist kaum zu prognostizieren. Als Faustregel kann man jedoch heranziehen: Je länger die Laufzeit eines Projektes ist, desto solider sollte die wirtschaftliche Basis des Auftragnehmers sein. Darauf wäre dann schon bei der Ausschreibung Bedacht zu nehmen.

Rechtzeitige Anfechtung
Ein Unternehmer, der sich durch die vom Auftraggeber geforderten Nachweise bzw. Mindestanforderungen (hinsichtlich der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit) beschwert erachtet, muss bereits die Ausschreibung anfechten. Dabei sind die gesetzlichen Fallfristen einzuhalten (in der Regel 14 Tage). Nach Ablauf dieser Frist können rechtswidrige Mindestanforderungen nicht mehr bekämpft werden. Leider kommt es immer wieder vor, dass sich ein Bieter mit dieser Problematik erst befasst, wenn es zu spät ist, z.B., wenn ihm mitgeteilt wird, dass seine Nachweise den Anforderungen nicht entsprechen.

Andererseits sind Bewerber und Bieter bei der Beweisführung über ihre wirtschaftliche Leistungsfähigkeit nicht an die vom Auftraggeber allenfalls vorgeschriebenen Urkunden, Belege, Bankauszüge etc. gebunden. Der Nachweis kann durchaus über andere Unterlagen geführt werden, sofern es einen gerechtfertigten Grund gibt, gerade diejenigen, die in der Ausschreibung gefordert wurden, nicht beibringen zu können. Die an deren Stelle vorgelegten Unterlagen müssen dann aber die gleiche Aussagekraft haben wie die geforderten. Das kann z.B. für einen „Newcomer“ von Bedeutung sein, dessen Firma natürlich nicht drei Jahre zurück Jahresabschlüsse oder Umsatzzahlen vorlegen kann.

Schlussfolgerung
Das Vergaberecht stellt hinsichtlich der wirtschaftlichen (finanziellen) Leistungsfähigkeit eines Bieters hohe Anforderungen. Dies gilt einerseits für die Vorbereitung der Ausschreibungsunterlagen bzw. der Angebote, andererseits aber auch für die nachfolgende Prüfungstätigkeit. Bieter sollten darauf achten, dass sie sich nicht selbst durch vermeidbare Formalfehler disqualifizieren bzw. bei rechtswidrigen Mindestanforderungen bzw. geforderten Nachweisen, die dem Gesetz nicht entsprechen, auf die Anfechtungsfrist achten, die schon mit der Zustellung der Ausschreibung zu laufen beginnt (und in der Regel 14 Tage beträgt).

Rechtsanwälte
PICCOLRUAZ & MÜLLER

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