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Vergabegesetz 2006 - 02/2006

Eine Übersicht über die Änderungen gegenüber 2002

Das novellierte Bundesvergabegesetz tritt am 01. Februar 2006 in Kraft. Länder und Gemeinden müssen manchen Bestimmungen erst nächstes Jahr anwenden. Das Gesetz ist nunmehr auf 351 Paragrafen angewachsen, und dies lässt sich leicht erklären.

Die Kritik am BVergG 2002 war massiv und wurde von allen Seiten erhoben. Die Einwände wurden zu einem erheblichen Teil berücksichtigt. Ein besonderes Tauziehen herrschte im Vorfeld über die Erleichterung bei der Vergabe von Dienstleistungskonzessionen sowie bei nicht prioritären Dienstleistungen. Als nicht prioritäre Dienstleistungen gelten u.a. das Gesundheits- und Sozialwesen, Gaststätten und Beherbergungsgewerbe, Rechtsberatung, Arbeits- und Arbeitskräftevermittlung, Unterrichtswesen und Berufsausbildung, Erholung, Kultur und Sport. Das neue Gesetz erweitert den Spielraum auf diesem Gebiet. Es wird lediglich festgelegt, dass ein transparentes Verfahren angewendet werden muss.

Nachfolgend haben wir nun die Neuerungen detailliert aufgelistet. Unser Newsletter richtet sich diesmal vornehmlich an Personen und Institutionen, von denen wir annehmen, dass sie mit der Materie des Vergaberechtes vertraut sind bzw. sich mit ihr zu beschäftigen haben. Wir setzen deshalb voraus, dass die wesentlichen Prinzipien und Begriffsbestimmungen bekannt sind.

Die Änderungen haben wir nach folgenden Kriterien gegliedert:

  • Allgemeine Verfahrensbestimmungen
  • Auftragswertberechnung mit Verfahrenswahl
  • „Neue“ Verfahrensarten
  • Rechtsschutz - Übergangsbestimmungen

1. ALLGEMEINE VERFAHRENSBESTIMMUNGEN

Billigstbieterprinzip
Im Unterschwellenbereich (Beauftragung unter € 5.278.000,00, Liefer-/Dienstleistungs-
aufträge unter € 211.000,00, bei zentralen öffentlichen Auftraggebern € 137.000,00, geändert seit 01.01.2006) kann das Billigstbieterprinzip nunmehr auch dann gewählt werden, wenn keine standardisierten Leistungen vergeben werden sollen (z.B. geistig-schöpferische Dienstleistungen).

Ausschluss von Alternativen
Ohne Angaben von Gründen können nunmehr auch technische Alternativangebote von vornherein ausgeschlossen werden.

Subvergabe
Bisher mussten Bieter wesentliche Teile des Auftrages selbst ausführen. Diese Beschränkung entfällt. Lediglich die Gesamtweitergabe ist verboten, das gilt auch für die Weitergabe an verbundene Unternehmen.

Fristen bei elektronischen Medien
Bei elektronischer Auftragsbekanntmachung und/oder elektronischer Bereitstellung der Ausschreibungsunterlagen können die gesetzlich vorgesehenen Mindestangebotsfristen bzw. Mindestteilnahmeantragsfristen um bis zu 12 Tage verkürzt werden.

Stillhaltefrist im Unterschwellenbereich
Die Stillhaltefristen werden aufgrund der – später beschriebenen – neuen Verfahrensarten angepasst. Im Unterschwellenbereich wird sie auf sieben Tage verkürzt.

Verlesungspflicht
Angaben zu den Zuschlagskriterien (z.B. Verlängerung der Gewährleistung) müssen – abgesehen vom Preis – nur mehr dann verlesen werden, wenn dies in den Ausschreibungsunterlagen festgehalten ist. Der VwGH verlangte bisher die Verlesung aller Kriterien.

Eignungsprüfung
Von der Eignungsprüfung kann bei Bauaufträgen bis zu € 120.000,00 und bei Liefer-/Dienstleistungsaufträgen bis € 80.000,00 abgesehen werden, wenn kein Zweifel an der Eignung besteht. Direktvergaben sind auch an insolvente Unternehmen möglich, wenn deren Leistungsfähigkeit hinreichend ist.

Bei geringfügigen Abgabenrückständen und/oder Sozialversicherungsrückständen „kann“ von einem Ausschluss des betroffenen Unternehmens Abstand genommen werden.

Änderung von Kriterien
Zuschlagskriterien können noch während des Verhandlungsverfahrens geändert werden, wenn dies in den Ausschreibungsunterlagen vorgesehen war.

Preisverhandlungen
Das bisher für Verhandlungsverfahren vorgesehene Verbot von reinen Preisverhandlungen entfällt.

Shortlisting
Für Verhandlungsverfahren ist explizit die Möglichkeit eines Shortlistings vorgesehen. Darüber hinaus kann sich der Auftraggeber unter bestimmten Voraussetzungen vorbehalten, nur mit dem Bieter des bestgereihten Angebotes Verhandlungen zu führen.
 
2. WERTBERECHNUNG UND VERFAHREN

Neue Losregeln
Die Möglichkeit zur Herauslösung von Kleinlosen (max. 20 % des Auftrags) aus Oberschwellenaufträgen ist nunmehr auch für Lieferaufträge vorgesehen. Im Unterschwellenbereich können darüber hinaus Lose von Lieferungen oder Leistungen direkt vergeben werden, wenn deren Wert unter € 40.000,00 liegt und insgesamt max. 40 % des Wertes aller Lose betragen.

Vergabe
Im Unterschwellenbereich müssen einzelne Gewerke eines Bauvorhabens nicht mehr zusammen gerechnet werden. Bei getrennter Vergabe von Gewerken können daher etwa solche unter € 40.000,00 direkt und unter € 350.000,00 im Verhandlungsverfahren vergeben werden.

Direktvergabe – Schwellenwert
Der Schwellenwert für Direktvergaben wird für alle Auftragsarten einheitlich auf € 40.000,00 (klassische Auftraggeber) bzw. € 60.000,00 (Sektorenauftraggeber) angehoben.

Verhandlungsverfahren im Unterschwellenbereich
Liefer- und Dienstleistungsaufträge können im gesamten Unterschwellenbereich (idR bis
€ 211.000,00), Bauaufträge bis € 350.000,00 im Verhandlungsverfahren mit Bekanntmachung vergeben werden.

Nicht prioritäre Dienstleistungen
Für nicht prioritäre Dienstleistungen (z.B. Dienstleistungen im Gesundheitsbereich) können Auftraggeber grundsätzlich ein Vergabeverfahren nach eigenem Ermessen festlegen. Es sind lediglich bestimmte Grundsätze einzuhalten (angemessener Grad von Öffentlichkeit, wenn dies der Wert des Auftrags erfordert). Eine Direktvergabe ist aber auch bei nicht prioritären Dienstleistungen nur unterhalb des Schwellenwertes von € 40.000,00 bzw. € 60.000,00 zulässig. Darüber hinaus gilt weiterhin der vergaberechtliche Rechtschutz.

Sektorenauftraggeber
Sektorenauftraggeber können das Vergabeverfahren im Unterschwellenbereich frei wählen (ausgenommen Direktvergabe). Nur wenn es aufgrund des Wertes oder Gegenstandes erforderlich scheint, ist ein angemessener Öffentlichkeitsgrad einzuhalten.

3. „NEUE“ VERFAHRENSARTEN

Elektronische Auktion
Die elektronische Auktion soll nunmehr auch im Baubereich und wertmäßig unbegrenzt verfügbar sein.

Rahmenvereinbarung
Eine solche ist ab 01.02.2006 auch im Oberschwellenbereich zulässig.

Dynamisches Beschaffungssystem
Wirklich neu sind das dynamische Beschaffungssystem und der wettbewerbsrechtliche Dialog. Das dynamische Beschaffungssystem ist ein vollelektronisches Verfahren zur Beschaffung marktüblicher Standardprodukte und setzt vor allem auf der Auftraggeberseite entsprechende technische Einrichtungen voraus.

Wettbewerblicher Dialog
Ohne solchen technischen Aufwand realisierbar ist demgegenüber der wettbewerbliche Dialog. Er soll insbesondere bei komplexen Vorhaben eine Hilfestellung für öffentliche Auftraggeber bieten, indem er potenzielle Bieter unmittelbar in die Festlegung des Leistungsgegenstandes einbezieht, ohne damit einen Ausschluss wegen „Vorarbeiten“ zu riskieren.

4. RECHTSSCHUTZ

Verkürzte Fristen
Die Anfechtungsfristen werden vereinfacht und in den wesentlichen Bereichen verkürzt. Hervorzuheben ist eine einheitliche Anfechtungsfrist von sieben Tagen für den gesamten Unterschwellenbereich.

Erweiterte Anfechtung
Die Ausscheidungsentscheidung ist nunmehr gesondert anfechtbar. Der Bieter muss nicht mehr auf die nächstfolgende, gesondert anfechtbare Entscheidung (Zuschlag) warten. Im Falle eines Widerrufs kann diese Entscheidung ebenfalls angefochten werden. Daher ist auch eine Stillhaltefrist vorgesehen.

Für offensichtlich unzulässige Direktvergaben ist eine besondere Feststellungskompetenz mit Nichtigkeitssanktionen vorgesehen. Das Vertragsverhältnis mit dem Auftragnehmer kann nunmehr zum Zeitpunkt der rechtskräftigen Feststellung nichtig erklärt werden.

5. RESÜMEE - ÜBERGANGSBESTIMMUNGEN

Das Gesetz bringt insgesamt eine Erleichterung für die Auftraggeber, insbesondere im Unterschwellenbereich. Andererseits sind aber die Rechtsschutzmöglichkeiten (Anfechtungen) ausgebaut worden, sodass man nicht unbedingt behaupten kann, das Gesetz begünstige einseitig die öffentliche Hand.

Für Länder und Gemeinden tritt die Rechtswirksamkeit einzelner Bestimmungen erst ab 01.01.2007 in Kraft (Rahmenvereinbarungen, Einrichtung eines dynamischen Beschaffungssystem, Vergabe nicht prioritärer Dienstleistungen).

Anwendbarkeitsüberprüfung

Rechtsanwälte
PICCOLRUAZ & MÜLLER

Werdenbergerstraße 38
6700 Bludenz
Vorarlberg, Österreich

Tel. +43 5552 62 286
Fax +43 5552 62 286-18
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