Nach Scheidungen wird - notfalls durch Gerichtsbeschluss - festgelegt, bei welchem Elternteil sich das Kind hauptsächlich aufhalten soll.
Daran hat sich ein Elternpaar gestoßen. Der Nachwuchs verbrachte abwechselnd je eine Woche beim Vater und danach bei der Mutter, da sich diese das Sorgerecht teilten. Die Eltern wollten deshalb, dass dem Kind eine Doppelresidenz eingeräumt wird, und nicht das Gericht einen Haushalt festlegt.
Das Wiener Landesgericht für Zivilrechtsachen war der Meinung, dass die betreffende Gesetzesstelle überprüft werden müsse und wandte sich an den Verfassungsgerichtshof. Dort wollten die Richter die entsprechende Bestimmung zwar nicht gänzlich streichen, gaben aber trotzdem „grünes Licht” für den Doppelwohnsitz. Sie waren der Ansicht, dass man die Gesetzesstelle so interpretieren muss, wenn es dem Kindeswohl entspricht.
Die Höchstrichter fällten eine salomonische Entscheidung und bezogen sich dabei auf die europäische Menschenrechtskonvention. Mit dieser flexiblen Gesetzesinterpretation sind die Gerichte weiterhin verpflichtet, zu überprüfen, in welchem Haushalt das Kind hauptsächlich betreut werden beziehungsweise sich überwiegend aufhalten soll. Eine solche Prüfung kann dann allerdings im Einzelfall auch ergeben, dass es für das Kind am besten ist, wenn es abwechselnd bei Vater und Mutter wohnt und somit eine Doppelresidenz hat.