Nach den Beweisregeln des Schadenersatzrechtes müsste ein Patient zum einen den Schaden beweisen, den er erlitten hat, und zum anderen, dass das Verhalten eines Arztes dafür ursächlich war.
Das ist nicht immer ganz einfach. Weshalb der OGH mildere Maßstäbe zur Anwendung bringt. Zwar dreht er nicht einfach die Beweislast um, sondern macht Gebrauch vom Instrument des „Anscheinsbeweises“.
Wenn glaubhaft gemacht werden könne, dass z.B. vergessene Bauchtücher in Patienten für gewöhnlich genau zu den Schäden führen, wie sie im Anlassfall entstanden sind, so reicht dieser „Anschein“ als Beweis aus. Damit sieht der OGH die Kausalität des ärztlichen Verhaltens (Vergessen von OP-Utensilien im Patienten) als gegeben an. Für den Anscheinsbeweis reicht also „überwiegende Wahrscheinlichkeit“.
Der Beklagte kann diesen Anscheinsbeweis erstens damit widerlegen, dass er seinerseits dartut, ein „typischer Geschehensablauf“ liege im konkreten Fall nicht vor. Wenn der Arzt zweitens beweist, dass der Schaden auch dann aufgetreten wäre, hätte niemand ein Tuch im Bauch vergessen, so haftet er ebenfalls nicht.
Die dritte, freilich umstrittene Frei-Beweis-Variante ist die „Zufalls-Wahrscheinlichkeit“. Wenn der Kausalzusammenhang zwischen dem Fehlverhalten und dem Schaden ebenso wahrscheinlich erscheint wie ein Zufall, teilt die Judikatur den Schaden zwischen dem Patienten und dem Arzt.
Die Kritiker dazu: Zufall ist keine „Reserve-Ursache“, sondern die „Restwahrscheinlichkeit“. Und: „Ein Richter hat keine Wahrscheinlichkeitswaage“.
Dr. Stefan Müller
Rechtsanwalt in 6700 Bludenz
Anzeiger, 20.03.2009