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Die Patientenanwaltschaft

Eine Möglichkeit der außergerichtlichen Bereinigung von Schadensfällen im Zusammenhang mit medizinischen und pflegerischen Leistungen

Die Patientenanwaltschaft ist eine relativ junge Institution, weshalb diese Gelegenheit ergriffen werden darf, über den Aufgabenbereich hinaus auch auf die Entwicklung und die zukünftigen Pläne einzugehen.

Rechtsgrundlage

Im Jahre 1999 wurde vom Vorarlberger Landtag das Patienten- und Klientenschutzgesetz (LGBl 16/1999) beschlossen. Grundlage für dieses Gesetz war eine Bestimmung im damaligen Krankenanstaltenrecht (§ 11e KAG). Diese Bestimmung verpflichtete den Landesgesetzgeber vorzusorgen, dass unabhängige Patientenvertretungen zur Prüfung allfälliger Beschwerden von Spitalspatienten zur Verfügung stehen.
Auf Grundlage dieser Bestimmungen hat sich im Jahre 1999 der Patientenschutzverein konstituiert und im Jahre 2000 den ersten Vorarlberger Patientenanwalt bestellt. Die Frage, warum man einen Verein gegründet und nicht, wie z. B. die Landesvolksanwaltschaft, den Patientenanwalt dem Vorarlberger Landtag zugeordnet hat, stellt sich immer wieder. Beide Wege wären möglich gewesen, um den Zweck der Unabhängigkeit und Weisungsfreiheit zu erfüllen. Der politische Wille war aber, eine gänzlich vom Land abgekoppelte Institution zu schaffen, um auch nach außen – für die Bevölkerung erkennbar – die Unabhängigkeit zu transportieren.

Zuständigkeit

Eine weitere Frage wird nun sein, welche Personen sich an den Patientenanwalt wenden können. Um dies abschließend beantworten zu können, muss zuerst die Zuständigkeit näher betrachtet werden. Nach der gesetzlichen Bestimmung des § 5 Patienten- und Klientenschutzgesetzes können alle Patienten von Krankenanstalten, die sich durch die Behandlung beschwert fühlen, diese Institution in Anspruch nehmen. Dazu muss erwähnt werden, dass Krankenanstalten nicht nur jene darstellen, die in der Bevölkerung als solche bekannt sind (Krankenhaus im eigentlichen Sinne). Maßgeblich ist, dass eine spitalsrechtliche Bewilligung vorliegt. Aus diesem Grund sind nicht nur die Krankenhäuser im eigentlichen Sinne ex lege von der Zuständigkeit des Patientenanwaltes erfasst, sondern z.B. auch Röntgeninstitute, privat geführte Krankenanstalten und auch Sanatorien oder Ambulatorien (wie z.B. die Zahnambulatorien der Gebietskrankenkasse).

Anfänglich sollte die Patientenanwaltschaft versuchen, durch privatrechtliche Verträge die Zuständigkeit auch auf sonstige Institutionen des Gesundheitswesens auszudehnen. Aus diesem Grund wurden Verhandlungen mit in Vorarlberg ansässigen Sozialeinrichtungen geführt und es konnte die Zuständigkeit auf diesen Sektor ausgedehnt werden. Es schließt somit folgende Institutionen mit ein: IfS, AKS, SMO, Kinderdorf, Lebenshilfe, Caritas, Rotes Kreuz und Psychosoziale Dienste Vorarlberg.

Durch das neue Pflegeheimgesetz (2002) können aber auch Klienten oder Bewohner aus Pflegeheimen die Patientenanwaltschaft in Anspruch nehmen.
Es wurde eine Zuständigkeit geschaffen, die einen Großteil der Gesundheitsberufe umfasst, wobei noch einige „weiße Flecken“ zu erkennen sind. Aus diesem Grund werden auch noch zukünftig Verhandlungen notwendig werden, um der Vorarlberger Bevölkerung einen externen Ansprechpartner für den „gesamten“ Gesundheitsbereich zur Verfügung stellen zu können (dazu später).

Aufgaben

Welche Aufgaben kommen nun der Patientenanwaltschaft zu? Das Gesetz sieht vor, dass Patienten und Klienten sowie deren Vertrauenspersonen zu beraten sind und ihnen Auskünfte erteilt werden müssen, Beschwerden über die Unterbringung, die Versorgung, die Betreuung und die Heilbehandlung zu bearbeiten und Patienten vor der Schiedskommission zu unterstützen sind.
In erster Linie geht es bei der direkten Fallbearbeitung einerseits um Informationsweitergabe (Aufklärung über Patientenrechte, Einholung von Krankengeschichten, etc.), andererseits um die konkrete Bearbeitung bei behaupteten Behandlungsfehlern.
Beschwerden über die Unterbringung, die Versorgung und die Betreuung werden von den in den Krankenanstalten neu geschaffenen Informations- und Beschwerdestellen bearbeitet. Diese haben die Aufgabe, innerhalb von 14 Tagen eine Lösung zu erarbeiten. Sollte dies nicht möglich sein (aus welchen Gründen auch immer), dann steht den Patienten das Recht zu, darüber informiert zu werden, warum Beschwerden nicht erledigt worden sind und dass sie sich auch an den Patientenanwalt wenden können.

Schiedskommission

Da es bereits erwähnt wurde, darf ich an dieser Stelle auch kurz auf die Schiedskommission eingehen: Sollte eine Lösung über die Patientenanwaltschaft nicht möglich sein, kann der Patient über einen Antrag die Schiedskommission mit seiner Angelegenheit betrauen. Der Kommission gehören ein Vorsitzender (Richter) und zwei Beisitzer (ein zur selbstständigen Berufsausübung berechtigter Arzt, der allgemein beeideter gerichtlicher Sachverständiger ist; ein Angehöriger des gehobenen Dienstes für Gesundheits- und Krankenpflege) an. Die Schiedskommission hat bei Patientenschäden auf eine außergerichtliche Einigung hinzuwirken und Lösungsvorschläge zu unterbreiten, wobei diesen Gutachterqualität zukommt.

Verfahren

Zurück zur Patientenanwaltschaft: In den meisten Fällen spricht ein Patient vor und legt seine Beschwerde dar. Die Patientenanwaltschaft kann aber auch von einem Vertreter des Patienten, sogar vom Krankenanstaltenträger in Anspruch genommen werden. Immer wieder ist es Ärzten ein Anliegen, dass eine unabhängige Stelle sich mit einer aufgetretenen Problematik beschäftigt, um dadurch auch zu zeigen, dass man einerseits nichts „zudecken“ will, andererseits aber an einem objektiven Ergebnis interessiert ist.

Gegensätzlich dazu wird von einem Teil der Ärzteschaft immer wieder dargelegt, dass sie selbst einen „Ärzteanwalt“ benötigen würde, damit das Gleichgewicht wieder hergestellt ist. Diesen Befürchtungen kann begegnet werden, indem die Arbeitsweise dargestellt wird.
Wird eine Beschwerde über einen behaupteten Behandlungsfehler vorgetragen, muss aus Gründen der Objektivität zuerst die Krankengeschichte eingeholt werden; aber auch dem Arzt muss Gelegenheit gegeben werden, zu dieser Beschwerde Stellung zu beziehen (zu dieser wäre der Arzt sogar aufgrund der gesetzlichen Bestimmung des § 11 Patienten- und Klientenschutzgesetzes verpflichtet). Oft wird aber auch ein Gespräch seitens der Patientenanwaltschaft angeboten, um auf diesem Wege offene Fragen zu klären.
Sollten dann tatsächlich Hinweise vorliegen, dass ein Behandlungsfehler, eine verzögerte Behandlung, eine falsche Diagnose, eine mangelhafte Aufklärung über alternative Behandlungsvarianten im Raum stehen, wird versucht, auf der nächsten „Ebene“ (Haftpflichtversicherung) die weitere Vorgangsweise abzusprechen. Mit der Haftpflichtversicherung soll nun ein Weg gefunden werden, der allen Parteien gerecht wird. Da eine unabhängige Beurteilung in solchen Fällen nur durch medizinische Gutachter erreicht werden kann, wird immer öfter dieser Weg beschritten. Dabei ist wichtig, dass die fachliche Qualität der Gutachter nicht in Zweifel gezogen werden kann. Um dies zu erreichen, werden seitens der Patientenanwaltschaft, sollte auch die Versicherung an einer gutachterlichen Klärung interessiert sein, mehrere geeignete Gutachter vorgeschlagen. Der daraufhin vom Krankenhaus ausgewählte Mediziner wird dann von der Patientenanwaltschaft mit der Erstellung des Gutachtens beauftragt.
Nach Vorliegen des Gutachtens wird anschließend eine Lösung gesucht, wobei der Abschluss in einem außergerichtlichen Vergleich mit dem Rechtsträger zu sehen ist.
Durch diese Vorgangsweise sind die Parteien nicht mit langen Gerichtsverfahren belastet und der Patient trägt, was doch von enormer Bedeutung ist, kein wie immer geartetes Kostenrisiko. Sollte auf diesem Weg keine Lösung zustande gebracht werden, besteht für den Patienten immer noch die Möglichkeit, einen entsprechenden Antrag an die Schiedskommission zu stellen oder aber Klage bei Gericht einzubringen. Sollte dieser letzt genannte Weg in Frage kommen, ist die Patientenanwaltschaft interessiert, dass keine Informationen verloren gehen. Wenn es vom Rechtsanwalt gewünscht wird, wird der gesamte Akt im Rahmen eines persönlichen Gespräches übergeben; ebenso wird die Patientenanwaltschaft auch bei der Auswahl von Gutachtern behilflich sein, da gerade auf diesem Sektor in den letzten Jahren eine gewisse Erfahrung gesammelt werden konnte.

Weitere Aufgaben

Über die reine Schadensbereinigung hinaus kommen der Patientenanwaltschaft noch andere Aufgaben zu, die nur indirekt den Patienten dienen. Nicht nur, dass die Patienteninteressen in einigen Kommissionen vertreten werden (Ethikkommission), sondern es werden darüber hinaus im Sinne der Qualitätssicherung Überlegungen angestellt. Die Patientenanwaltschaft hat die Möglichkeit, Empfehlungen darüber abzugeben, wie ein festgestellter Mangel beseitigt und auch künftig vermieden werden kann. Diese Fälle sind nicht allzu häufig, berühren aber meistens einen Großteil der betroffenen Patienten.

Ausblick

Wie anfangs erwähnt, soll man auch in die Zukunft blicken. Sinnvoll wäre es, wenn alle Patienten, gleich ob sie im Krankenhaus, im niedergelassenen Bereich oder bei einem Physiotherapeuten behandelt werden, die Patientenanwaltschaft in Anspruch nehmen können. Derzeit bestehen allerdings mit den beiden letztgenannten Gruppierungen oder Interessensvertretungen keine vertraglichen Lösungen, sodass keine Betreuung des Patientenanwaltes im oben beschriebenen Sinn möglich ist. Oft muss deshalb der Weg über das Gericht gegangen werden, was gerade auf Seiten der Patienten mit einem enormen Prozesskostenrisiko verbunden ist. Ziel soll es in Zukunft sein, durch vertragliche Lösungen im Sinne aller Beteiligten eine Kultur der Streitbeilegung zu finden.

Statistik

Kurz darf ich noch auf die Statistik eingehen. In einem Jahr werden ca. 250 Neuanträge bearbeitet, wobei der Großteil der Fälle die Krankenanstalten betrifft. Aus dem Pflegeheimbereich werden kaum Beschwerden vorgetragen.
In den letzten Jahren (2000-2005) wurden ca. eine Million Euro für die Patienten verhandelt.

Entschädigung

Im Jahre 2001 hat der Bundesgesetzgeber beschlossen, von jedem Patienten einen Beitrag in der Höhe von € 0,73/Tag eines Krankenhausaufenthaltes, höchstens jedoch für 28 Tage im Jahr einzuheben. Diese Gelder kommen jenen Patienten zu Gute, die durch einen Schaden im Zusammenhang mit einer Behandlung in einem Krankenhaus beeinträchtigt worden sind.
Diese Beträge werden in Vorarlberg seit 2001 eingehoben. Seit einer Novelle des Patienten- und Klientenschutzgesetzes im Jahre 2003 können Entschädigungen nun auch an die Patienten ausgeschüttet werden. Voraussetzung für die Zuerkennung von Entschädigungen sind, dass der Schadensfall nach dem 31.12.2000 eingetreten ist und die Haftung nicht eindeutig gegeben ist.
Dieser zuletzt genannte Begriff ist sehr unbestimmt, weshalb man diesen im Sinne der Auslegung interpretieren muss. Eine Haftung ist dann nicht eindeutig gegeben, wenn eine Haftung nicht eindeutig ausgeschlossen werden kann oder aber nicht eindeutig vorliegt. Im Graubereich zwischen diesen absoluten Standpunkten kann nun eine Entschädigung zuerkannt werden.
Darunter können auch Fälle subsumiert werden, bei denen die Aufklärung mangelhaft war oder die Erbringung eines Beweises nicht möglich ist (oder gewisse Dinge nicht feststellbar sind).
Um eine Vereinheitlichung der österreichischen Spruchpraxis zu erreichen, hat man die Zuerkennung auch auf jene Patientenschäden ausgedehnt, die einen lang andauernden Heilungsverlauf bzw. mit einer schweren Dauerfolge einhergehen (dies ist bereits der verschuldensunabhängigen Haftung ähnlich).
Sollte ein Patient nun einen entsprechenden Antrag bei der Patientenanwaltschaft einbringen bzw. vorsprechen und den Wunsch deponieren, dass er eine Entschädigung begehrt, muss auf alle Fälle die Haftung geprüft werden. Die Entschädigung soll nicht dazu dienen, die Haftpflichtversicherungen zu entlasten. Sollte aber die Haftung offen bleiben, dann wird man die Voraussetzungen der Entschädigung prüfen.
Durch dieses System soll auch jenen Patienten geholfen werden, die über das herkömmliche Haftungsrecht keinen Schadensausgleich erreichen, durch den tatsächlich eingetretenen Schaden aber (zum Teil erheblich) belastet sind.


Mag. Alexander Wolf,
Patientenanwalt
Marktplatz 8, 6800 Feldkirch
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www.patientenanwalt-vbg.at

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