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Pistensicherung und Eigenverantwortung - 10/2005

Die strenge Verpflichtung eines Pistenhalters, seine Pisten zu „sichern“  ist allgemein bekannt. Weniger jedoch, dass dadurch die Eigenverantwortlichkeit des Schifahrers nicht aufgehoben wird, ganz im Gegenteil.

Noch vor Jahrzehnten war das Bewusstsein der Eigenverantwortlichkeit des Schifahrers stark ausgeprägt. Ihm war bewusst, dass er und nur er selbst verantwortlich ist, wenn ein Unfall passiert, dass kein anderer da ist, der für seine Sicherheit sorgt. Inzwischen ist dieses Bewusstsein der Eigenverantwortung weitgehend verloren gegangen. Dies nicht zuletzt deshalb, weil Autobahnpisten gebaut und dem Schifahrer auf Pisten faktisch alle Hindernisse aus dem Weg geräumt worden sind. Er wiegt sich in trügerischem Glauben, mit der Liftkarte die totale Sicherheit mitgekauft zu haben. So kann man ein widersprüchliches Phänomen beobachten. Bevor man begonnen hat, die Pisten zu präparieren, gab es keine Prozesse wegen unterlassener Pistensicherung. Seit die hindernisreichen Naturabfahrten in autobahnähnliche Pisten umgewandelt wurden und die meisten Gefahrenstellen beseitigt sind, gibt es zahlreiche Rechtsstreitigkeiten und zwar auch in Fällen, wo gar nichts zu sichern war.

Wie gesagt, die Verpflichtung der Seilbahngesellschaften, Hindernisse auf der Schipiste zu beseitigen, ist allgemein bekannt. Die Pisten müssen nicht nur ordentlich gepflegt, sondern auch nach ihrem Schwierigkeitsgrad markiert werden. Alle Hindernisse und Gefahrenquellen sind möglichst zu beseitigen oder, wenn dies nicht möglich ist, zu sichern, mindestens so kenntlich zu machen, dass der Durchschnittschifahrer auch bei schlechten Sichtverhältnissen nicht gefährdet wird. Selbstverständlich ist auch ein Schutz vor Lawinen zu gewährleisten, d.h., es besteht die Verpflichtung, in konkreten Gefahrensituationen Abfahrten rechtzeitig zu sperren.

Wie steht es aber nun mit Gefahrenquellen, die keine Sicherungsmaßnahmen erfordern bzw. mit der Eigenverantwortung des Schiläufers?

Die Grenzen der Pistensicherungspflicht sind durch die Gerichte schon seit geraumer Zeit hinreichend präzisiert.

Zunächst: Ungeachtet der Eigenverantwortlichkeit muss der Pistenhalter vor „atypischen“ Gefahren sichern.

„Atypisch ist eine Gefahr, die unter Bedachtnahme des Erscheinungsbildes und des angekündigten Schwierigkeitsgrades der Piste auch für einen verantwortungsbewussten Fahrer unerwartet und schwer abwendbar ist.“

Darüber hinaus, so der OGH, nimmt der Schifahrer Hindernisse und Gefahren, die sich aus dem Wesen einer Schiabfahrt ergeben in Kauf und muss sie selbst bewältigen. Keinesfalls darf die Pistensicherungspflicht überspannt werden. Abstrakt gesagt muss jeder Schifahrer so vorsichtig fahren, dass er einerseits sich und andere nicht gefährdet, andererseits die bei Ausübung des Schisportes üblichen Risiken und Gefahren bedenkt bzw. auf sie gefasst ist.

Mit diesen abstrakten Richtlinien werden viele von uns nichts anfangen können. Daher im Folgenden einige Beispiele aus der Rechtsprechung. In den meisten Prozessen gegen Pistenerhalter wegen Verletzung der Pistensicherungspflicht spielt ein mehr oder weniger großes Mitverschulden des Schiläufers eine Rolle, weil er seine Eigenverantwortlichkeit missachtet hat.

  • Eine Schifahrerin näherte sich unkontrolliert der Lifttalstation und stürzte in einen unterhalb der Liftstation gelegenen, 2 m tief in den Schnee eingefrästen Weg. Mitverschuldensquote 50 %.
  • Ein Schifahrer fuhr unkontrolliert in einen Schiweg ein, kam beim Versuch, einer vorne befindlichen Schifahrergruppe auszuweichen, zu Sturz und wurde gegen 3 cm bzw. 11 cm aus dem Boden ragende Winkeleisen getrieben, die an der ansteigenden Bergseite, 0,5 m vom Pistenrand entfernt, zur Befestigung eines Baumstammes eingeschlagen waren, der die Piste gegen abrollende Steine sichern sollte. Mitverschuldensquote 50 %.
  • Einen Schifahrer, der sich trotz rechtzeitiger Erkennbarkeit der Brücke ohne Geländer dieser in Schussfahrt mit Schlittschuhschritten näherte und dann in den Bach stürzte, ist zu 50 % mitschuldig.
  • Ein Schifahrer, der im Pistenrandbereich mit 30 – 40 km/h abfährt, dabei verkantet und gegen eine 5 m neben der präparierten Piste stehende, nicht abgesicherte Liftstütze prallt, ist zu 100 % am Unfall schuldig. Die Unterlassung der Absicherung dieser Stütze stellt in diesem Fall keine Verletzung der Pistensicherungspflicht dar.

Nochmals: Die autobahnähnlichen Pisten verleiten insbesondere, wenn sie nicht stark bevölkert sind, zu unkontrolliertem und sorglosem Fahren. So wiegen sich viele von uns in einer trügerischen Sicherheit. Ein verantwortungsbewusster Schifahrer fährt in jedem Fall auf Sicht und beobachtet nicht nur die Piste selbst, sondern auch außerhalb derselben stehende Gefahrenquellen, sodass er im Falle eines Sturzes nicht mit ihnen „in Konflikt" kommt. Dass es daneben noch verschiedene Rücksichtspflichten in Bezug auf andere Schifahrer gibt, ist in einem anderen Beitrag dieses Newsletters im Detail dargelegt worden.

Mag. Patrick Piccolruaz

Rechtsanwälte
PICCOLRUAZ & MÜLLER

Werdenbergerstraße 38
6700 Bludenz
Vorarlberg, Österreich

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