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Bundesvergabegesetz

Eines der wichtigsten und am häufigst angewendeten Verfahren bei öffentlichen Vergaben ist das „offene Verfahren“. In diesem Verfahren fordert der öffentliche Auftraggeber durch eine öffentliche Bekanntmachung einen unbeschränkten Kreis an Interessenten zur Angebotsabgabe auf. Kennzeichen für das offene Verfahren ist, dass von vornherein keine Zugangsbeschränkungen auferlegt werden dürfen und somit keine Vorselektion stattfindet. Es handelt sich also um ein einstufiges Verfahren.

Im Rahmen sachgerechter Vorbereitung sind vom öffentlichen Auftraggeber zunächst der Bedarf, die Auftragsart (Bau-, Liefer-, Dienstleitungsauftrag) zu bestimmen sowie das zur Verfügung stehende Budget zu ermitteln. Weiters gilt es, den geschätzten Auftragswert zu eruieren. Daraufhin sind die Ausschreibungsunterlagen zu erstellen. Bei Erstellung der Ausschreibungsunterlagen sind im offenen Verfahren die Verfahrensbestimmungen, die Eignungskriterien, die gewichteten Zuschlagskriterien, das Leistungsverzeichnis sowie die allgemeinen Vertragsbestimmungen als wesentliche Bestandteile zu berücksichtigen. Die Ausschreibungsunterlagen sind so zu gestalten, dass die Vergleichbarkeit der einlangenden Angebote sichergestellt ist und die Preise ohne umfangreiche Vorarbeiten und ohne Übernahme nicht kalkulierbarer Risken ermittelt werden können.

Die Art der Bekanntmachung hängt davon ab, ob man sich im Oberschwellenbereich oder im Unterschwellenbereich bewegt.

Da im offenen Verfahren jeder Unternehmer teilnehmen kann, haben alle Interessenten Anspruch auf Übergabe der Ausschreibungsunterlagen. Für den Eingang der Angebote beträgt die Standardfrist im offenen Verfahren im Oberschwellenbereich mindestens 52 Tage ab Absendung der Bekanntmachung. Im Unterschwellenbereich beträgt die Standardfrist 22 Tage ab der erstmaligen Verfügbarkeit der Bekanntmachung.

Spätestens sechs Tage vor Ablauf der Angebotsfrist sind entgegen genommene Bieteranfragen zu beantworten. Erfolgt eine Berichtigung der Ausschreibungsunterlagen, die auf die Erstellung der Angebote wesentlichen Einfluss hat, so ist der öffentliche Auftraggeber verpflichtet, die Angebotsfrist zu verlängern.

Entgegengenommene Angebote sind bis zum Ende der Angebotsfrist sicher zu verwahren. Die Anzahl und Namen der Unternehmer, die Interesse an der Teilnahme an einem offenen Verfahren bekundet haben, sind im Übrigen bis zur Angebotsöffnung geheim zu halten. Mit Abschluss der Angebotsfrist beginnt auch die Zuschlagsfrist zu laufen.

Die Öffnung der Angebote erfolgt öffentlich und regelmäßig unmittelbar nach Ablauf der Angebotsfrist an einem festgelegten Ort. Die Öffnung wird durch eine Kommission vorgenommen, die mindestens aus zwei fachkundigen Vertretern des Auftraggebers (z.B. Rechtsanwalt und Projektverantwortlicher) bestehen muss. Die Bieter haben grundsätzlich Gelegenheit, an der Öffnung teilzunehmen. Aus den Angeboten werden bestimmte Angaben, insbesondere Name und Geschäftssitz des Bieters, Preise und wesentliche Bietererklärungen vorgelesen und in einer Niederschrift festgehalten. Nach Abschluss der Öffnung werden die Niederschrift und Angebote so verwahrt, dass sie Unbefugten unzugänglich sind.

Hiernach hat der Auftraggeber die Angebote zu prüfen. Geprüft wird die rechnerische Richtigkeit der Angebote sowie ob das Angebot den sonstigen Bestimmungen der Ausschreibung entspricht, insbesondere ob es formrichtig, vollständig und geeignet ist. Ausgeschlossen sind jedenfalls Unternehmen, die an der Erarbeitung der Unterlagen für das Vergabeverfahren unmittelbar oder mittelbar beteiligt waren und dadurch keine Bietergleichbehandlung gewährleistet ist sowie Bieter, die mit anderen Unternehmern nachteilige, gegen die guten Sitten oder gegen den Grundsatz des Wettbewerbes verstoßende Abreden getroffen haben.

Von den Offerten, die nach dem Ausscheiden verbleiben, erteilt der Auftraggeber entsprechend seinen Festlegungen in der Ausschreibung dem technisch und wirtschaftlich günstigsten Angebot oder dem Angebot mit dem niedrigsten Preis den Zuschlag. Davor ist jedoch gesetzlich vorgesehen, dass der Auftraggeber allen noch im Vergabeverfahren verbliebenen Bietern gleichzeitig, unverzüglich und nachweislich elektronisch oder mittels Fax mitzuteilen hat, welchem Bieter der Zuschlag erteilt werden soll (Zuschlagsentscheidung). In dieser Mitteilung werden den verbleibenden Bietern auch die Gründe für die Ablehnung ihres Angebots, die Vergabesumme, die Merkmale der Vorteile des erfolgreichen Angebots sowie das jeweilige Ende der Stillhaltefrist mitgeteilt. Die Stillhaltefrist dient dazu, den unterliegenden Bietern die Möglichkeit einzuräumen, gegen die Zuschlagserteilung des Auftraggebers bei der zuständigen Vergabekontrollbehörde (UVS bzw. Bundesvergabeamt) Einspruch zu erheben.

Die Stillhaltefrist beträgt grundsätzlich 14 Tage im Oberschwellenbereich und 7 Tage im Unterschwellenbereich. Fristauslösendes Ereignis ist der Zugang der Mitteilung bei Übermittlung im elektronischen Weg oder mittels Telefax, die Absendung bei einer (ausnahmsweisen) Übermittlung auf brieflichem Weg. Nach Ablauf der Stillhaltefrist kann der Auftraggeber dem ausersehenen Bieter den Zuschlag erteilen.

Zur Überprüfbarkeit der Entscheidung fertigt der Auftraggeber über den vergebenen Auftrag einen Vergabevermerk an, der beim offenen Verfahren den Namen und die Anschrift des Auftraggebers, den Gegenstand und den Wert des Auftrages, die Namen der ausgeschlossenen Bieter und die Gründe für ihre Ablehnung sowie den Namen des erfolgreichen Bieters, die Gründe für die Auswahl seines Angebots und den Anteil der vorgesehenen Subvergaben zu enthalten hat. Schließlich hat der Auftraggeber der Europäischen Kommission jeden vergebenen Auftrag im Oberschwellenbereich spätestens 48 Tage nach Zuschlagserteilung bekannt zu geben.

Checkliste des offenen Verfahrens
(Infoletter 4/08, heid-schiefer)

Vorbereitung

  • Ermittlung des Bedarfs und des Budgets
  • Ermittlung geschätzter Auftragswert und Auftragsart (Bau-, Liefer-, Dienstleistungsauftrag)
  • Feststellung des anzuwendenden Vergaberegimes (in Berücksichtigung des Ober-/Unterschwellenbereichs)
  • Wahl der richtigen Verfahrensart
  • Erstellung der Ausschreibungsunterlagen
  • Verfahrensbestimmungen (Auftraggeber, Angebotsfrist, Angebotsform, Anfragen etc.)
    • Eignungsnachweise und –kriterien (Mindestanforderungen)
    • Zuschlagskriterien gewichtet (objektiv nachvollziehbares Bewertungsschema)
    • Leistungsverzeichnis bzw. Leistungsbeschreibung (ÖNORMEN bzw. Leitlinien beachten)
    • Vertragsteil (ÖNORMEN bzw. Leitlinien beachten)
    • Formulare für Bietererklärungen, Angaben zu Eignungs-, Zuschlagskriterien etc.

Bekanntmachung

  • Nationales Amtsblatt (entsprechend der jeweiligen Publikationsmedienverordnung)
  • Zusätzlich EU-Amtsblatt bei Oberschwellenaufträgen
  • Inhalt gemäß Standardformular (Auftraggeber, Leistungsgegenstand, Angebotsfrist etc.)

Angebotsfrist

  • Übermittlung der Ausschreibungsunterlagen binnen 6 Tagen nach Anfrage
  • Entgegennahme und Dokumentation Bieteranfragen
  • Beantwortung Bieteranfragen (spätestens 6 Tage vor Ablauf der Angebotsfrist)
  • Allenfalls Berichtigung der Ausschreibungsunterlagen (allenfalls auch der Bekanntmachung)
  • Entgegennahme und sichere Verwahrung der Angebote
    • Eintragung in Eingangsverzeichnis mit laufender Nummer, Datum, Uhrzeit
    • Eingangsvermerk auf (verschlossenem) Angebot mit laufender Nummer, Datum, Uhrzeit

Angebotsöffnung (gilt nicht für Sektorenauftraggeber)

  • Kommission (mind. 2 sachkundige Auftraggebervertreter)
  • Zeitpunkt unmittelbar nach Ablauf Angebotsfrist / Ort entsprechend Ausschreibung
  • Öffnung entsprechend laufender Nummer und Übertragung der Nummer auf Angebot
  • Versiegelung während der Öffnung (z.B. Lochen)
  • Feststellungen durch Kommission vor Öffnung
    • ungeöffnet eingelangt
    • rechtzeitig eingelangt (bei Verspätung Vermerk auf Angebot und nicht öffnen!)
  • Feststellungen durch Kommission nach Öffnung
    • Angebot unterfertigt
    • Anzahl der Angebotsteile
    • Vorhandensein der in der Ausschreibung verlangten / im Angebot angegebenen Bestandteile
  • Verlesungsinhalte
    • Name und Geschäftssitz des Bieters
    • Preise (auch Teilangebots-, Alternativangebotspreis, Nachlässe, nicht Positionspreise)
    • Wesentliche Bietererklärungen
  • Niederschrift
    • Datum, Uhrzeit von Beginn und Ende der Öffnung
    • Geschäftszahl, Gegenstand und Art des Verfahrens
    • Anwesenheitsliste
    • Feststellungen der Kommission und Verlesungsinhalte (siehe oben)
    • Zwingend verlangte aber nicht vorhandene Beilagen
    • Vermerke über offensichtliche Angebotsmängel
    • Unterschriften der Kommissionsmitglieder
    • Ausfolgung einer Kopie an Bieter auf deren Verlangen
  • Sichere Verwahrung Angebote und Niederschrift

Angebotsprüfung und Bewertung

  • Prüfungsinhalte
    • Einhaltung vergaberechtlicher Grundsätze (insb. Wettbewerbsgrundsatz)
    • Eignungsprüfung (Befugnis, Leistungsfähigkeit, Zuverlässigkeit) Bieter und Subunternehmer)
    • Rechnerische Richtigkeit
    • Preisangemessenheit (allenfalls vertiefte Angebotsprüfung)
  • Angebotsmängel
    • Beurteilung ob behebbar oder unbehebbar
    • Behebbare Mängel: Aufforderung zur Aufklärung / Nachreichung von Unterlagen
    • Unbehebbare Mängel: Ausscheidensentscheidung mit Begründung (Telefax)
    • Verspätete Mängelbehebung: Ausscheidensentscheidung mit Begründung (Telefax)
  • Niederschrift
    • Prüfungsinhalte
    • Auf Verlangen Einsichtnahme der Bieter in ihren Teil der Niederschrift
  • Bewertung
    • Bewertung gemäß Zuschlagskriterien
    • Dokumentation der Bewertung (bei subjektiven Kriterien auch verbale Begründung)

Verfahrensabschluss

  • Bekanntgabe Zuschlagsentscheidung (per Telefax)
    • An verbliebene Bieter (jene Bieter, die nicht rechtskräftig ausgeschieden sind)
    • Firmenwortlaut des in Aussicht genommenen Zuschlagsempfängers
    • Gründe für Nichtberücksichtigung des Bieters und Merkmale /Vorteile erfolgreiches Angebot
    • Vergabesumme
    • Ende Stillhaltefrist (Angabe des Datums)
  • Abwarten Stillhaltefrist (idR 14 Tage Oberschwellenbereich / 7 Tage Unterschwellenbereich)
  • Zuschlagserteilung
    • Schriftlich (auch per Telefax möglich)
    • Erklärung: Annahme des Angebotes
  • Vergabevermerk
    • Name, Anschrift Auftraggeber
    • Gegenstand und Wert des Auftrags
    • Namen der nicht ausgeschiedenen Bieter
    • Namen der ausgeschiedenen Bieter und Gründe für Ausscheidung
    • Namen des Zuschlagsempfängers und Gründe für Auswahl seines Angebotes
    • Anteil der vorgesehenen Subvergaben (soweit bekannt)
  • Bekanntmachung des vergebenen Auftrags im EU-Amtsblatt (nur Oberschwellenbereich)

Dr. Stefan Müller

Rechtsanwälte
PICCOLRUAZ & MÜLLER

Werdenbergerstraße 38
6700 Bludenz
Vorarlberg, Österreich

Tel. +43 5552 62 286
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