An sich ist es Aufgabe eines Jobbewerbers, Dienstzeugnisse für eine bessere Gehaltseinstufung vorzulegen. Doch der OGH nimmt den Arbeitgeber in die Pflicht: Er muss den Bewerber deutlich darauf hinweisen.
Nachdem der Kläger jahrelang in einer Werbeagentur beschäftigt war, bewarb er sich bei einem Unternehmen der IT- und Consultingbranche für eine Vertriebsstelle. In seinem Lebenslauf und in den Vorstellungsgesprächen wies er auf seine Berufserfahrung hin. Ein Dienstzeugnis der Werbeagentur legte er aber zunächst nicht vor. Sein zukünftiger Arbeitgeber forderte ihn wohl auf, „alle Unterlagen abzugeben“. Dabei stellte er aber nicht klar, dass davon die Einstufung und somit die Höhe des Gehalts abhängt.
Zur Anstellung kam es - zur Anrechnung der Vordienstzeiten aber nicht. Nach zwei Jahren forderte der Mitarbeiter dann eine Nachzahlung von über 20.000 €. Um diesen Betrag hätte er bei höherer Einstufung mehr verdient.
Dem steht auf den ersten Blick der Wortlaut des IT-Kollektivvertrags entgegen: Er setzt für die Anrechnung die Vorlage von Zeugnissen oder sonstigen Arbeitspapieren voraus.
Dennoch sollte es dem Kläger nicht schaden. Erwähnt ein Bewerber seine Berufserfahrung, muss der Arbeitgeber ihn - im Rahmen der Fürsorgepflicht - darauf hinweisen, dass für die Anrechnung der Vordienstzeiten schriftliche Nachweise notwendig sind. Andernfalls, so der OGH, darf der Arbeitnehmer davon ausgehen, dass ihm die Berufsjahre auch ohne Nachweise angerechnet werden, und er im Gehaltsschema richtig eingestuft wird (8 ObA 19/08 i vom 16.06.2008).
Dr. Petra Piccolruaz
Rechtsanwältin in 6700 Bludenz
Anzeiger, 10.06.2009