Die Sorgaltspflichten des Tourenführers sind gesetzlich nicht festgelegt und es gibt derzeit auch keine allgemeinen Regeln, z.B. ab welcher Lawinenwarnstufe nicht mehr gegangen werden darf.
In einer aktuellen deutschen Entscheidung (Lawinenunfall im Stubai – 4 Tote) hat die Anklageschrift auf die sog. „Snowcard“ (in Österreich „Stop or Go“) Bezug genommen. Danach wäre bei der damals herrschenden Lawinenwarnstufe 3 und der Steilheit des Geländes die Tour zu gefährlich gewesen. Das Gericht kam jedoch zu der Erkenntnis, dass es sich dabei um keine allgemein verbindliche Bergsteigerregel handelt. In verschiedenen Symposien (2003 in Saalfelden, 2005 in Davos) wurde eine Definition der Sorgfaltspflichten versucht. Es gab eine Reihe von Vorschlägen, was man als Entscheidungskriterien heranziehen solle: Alpine Literatur, Empfehlungen von Alpinverbänden, langjährige Verwendung in der Praxis. Schlussendlich setzte sich aber die Einsicht durch, dass man keine allgemeinen Richtlinien aufstellen könne, die eine verlässliche Grundlage für zivilrechtliche Haftung oder strafrechtliche Verurteilung sein könnten. Die Meinungen bezüglich Stand der Technik zu bestimmten Bereichen des Bergsports klaffen nach wie vor weit auseinander, obwohl es für die Unfallprävention wie auch für die nachträgliche Beurteilung wünschenswert wäre, wenn Standards für die Sorgfaltspflichten definiert werden könnten. Im Unglücksfall lastet im Einzelfall letztlich also alles auf der Erfahrung und dem Verantwortungsbewusstsein des Führers.
Mag. Patrick Piccolruaz, Rechtsanwalt in Bludenz
Walgaublatt, 23.03.2007