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Ö-Normen - 06/1999

ÖNormen, Gewährleistung & Warnpflicht

Die Rechtsprechung, aber auch die Gesetzgebung hat die Gewährleistung ständig verschärft und die Stellung des Konsumenten gegenüber dem Unternehmer gestärkt. Nunmehr hat das Europäische Parlament eine Richtlinie beschlossen, so daß gewisse Grundsätze europaweit gelten.

ÖNORMEN, „STAND DER TECHNIK“

Die ÖNormen sind Vertragsschablonen. Sie werden nicht automatisch Grundlage des abgeschlossenen Werkvertrages. Man muß sich im Vertrag auf sie berufen. Die neue ÖNorm 2110 enthält auch alle technischen Normen. Selbst wenn sie nicht zum Vertragsinhalt geworden sein sollten, sind sie zu berücksichtigten, weil sie teilweise den Stand der Technik definieren bzw. wiedergeben. Im Übrigen muß man unterscheiden zwischen Stand der Technik und Stand der Wissenschaft. Stand der Technik ist alles das, was bei der Ausführung von Werkverträgen als unabdingbare Qualitätsnorm angesehen wird. Der Stand der Wissenschaft kann weiter gehen. Es kann Forschungsergebnisse geben, die noch nicht in die Produktion Eingang gefunden haben. Wenn allerdings der Stand der Wissenschaft hinreichend publiziert worden ist, dann kann es sein, daß ein Auftragnehmer dafür haftet. Er muß also im Rahmen seiner Warnpflicht darauf hinweisen, daß er eben nur den Stand der Technik erbringt und in speziellen Publikationen erwähnten Erweiterungen nicht erfüllen kann.

GEWÄHRLEISTUNG UND VERSCHULDEN

Gewährleistung bedeutet eigentlich Haftung für einen Mangel ohne daß die Firma ein Verschulden trifft. Schadenersatz wiederum setzt einen solches Verschulden des Unternehmers voraus. Die Rechtssprechung hat die Grenzen verwischt. Wer heute eine ausführende Firma in Anspruch nimmt braucht nur zu behaupten, daß ein Verschulden vorliegt. Der Unternehmer muß sich dann „frei beweisen“, was nur sehr selten gelingt. Durch die Vermengung von Gewährleistung und Verschulden ist die Haftung zeitlich und sachlich fast ins Unendliche ausgedehnt worden.

BAUGRUNDRISIKO

Die Haftung für das Baugrundrisiko ist sehr häufig Gegenstand von Rechtsstreitigkeiten. Es trifft grundsätzlich den Bauherrn. Meist wird aber bei Aufträgen die diesbezügliche Prüfpflicht auf den Bauunternehmer überwälzt. Es gibt neuere Entscheidungen, daß die Überwälzung dieses Risikos nur zulässig ist, wenn man nach dem Ausmaß des Werklohns davon ausgehen kann, daß der Aufwand für die geforderte Baugrundprüfung einkalkuliert worden ist. Ist andererseits einmal dieses Baugrundrisiko bzw. die Überprüfung übernommen worden, dann muß der Bauunternehmer ein Gutachten, das ihm der Bauherr zur Verfügung stellt selbst überprüfen. Er darf sich nicht einfach darauf verlassen.

WARNPFLICHT

Die Warnpflicht des Unternehmers gilt auch gegenüber einem qualifizierten Bauherrn (zB Architekt als Bevollmächtigter des Auftraggebers). Allerdings hat die Rechtssprechung hier Grenzen eingezogen. So ist zB eine kleine Firma nicht verpflichtet, komplizierte und aufwendige statische Berechnungen nachzuvollziehen oder gar chemische und physikalische Untersuchungen von Baumaterialien vorzunehmen, die üblicherweise nur an Universitätsinstituten durchgeführt werden können. Es darf also von einer kleinen Spenglerei zB nicht verlangt werden, daß sie die vom Architekten ausgeschriebenen Materialien nochmals untersucht.

Die Warnpflicht ist zu unterteilen in eine Beratungs-, Prüf- und Warnpflicht im eigentlichen Sinne. Ein Unternehmer ist verpflichtet, neben der Warnung Verbesserungsvorschläge und Alternativangebote zu unterbreiten. Der (sehr häufige) Fall, der Verletzung einer Warnpflicht bei gleichzeitigem Fehler des Architekten (zB Mängel in einer Ausschreiben, auf die der Unternehmer nicht hinweist) wird von den Gerichten meistens mit einer Verschuldensaufteilung von 50:50 beantwortet.

Sind die ÖNormen Vertragsgrundlage so ist auf jeden Fall schriftlich zu warnen (Einschreiben!), eine mündliche Warnung könnte von den Gerichten als unerheblich betrachtet werden.

BAUAUFSICHT

Wer die Bauaufsicht führt, gilt als Bevollmächtigter des Bauherrn. Die Bauaufsicht dient nur dem Schutz des Bauherrn. Ein Unternehmer kann sich also nicht darauf berufen, daß die Bauaufsicht gegen einen bestimmten Vorgang keinen Einspruch erhoben hat. Der Bauherr schuldet dem Unternehmer keine Bauaufsicht im engeren Sinne. Wohl aber hat er die sogenannte Koordinationsverpflichtung. Er muß also die Termine abstimmen und das Zusammenwirken der verschiedenen Firmen organisieren. Verletzt der Bauherr (oder der Bauaufsichtshabende) diese Pflicht, so kann sich ein Unternehmer durchaus darauf berufen, wenn er zB eine Frist nicht einhalten konnte (Pönale!).

HAFTPFLICHTVERSICHERUNG

Eine oft übersehene Grenze einer Versicherung besteht darin, daß nur das versichert ist, wozu der Unternehmer die gewerberechtliche Befugnis hat. (Estrichleger verklebt Fließen) Vermögensschäden sind nicht versichert, ebenso nicht ein Betriebsstillstand. Besonders darauf hinzuweisen ist, daß eine ARGE eine gesonderte Haftpflichtversicherung abzuschließen hat. Die Versicherungen der beteiligten Firmen geben für eine solche Arbeit keine Deckung. Dabei ist zu verlangen, daß diese ARGE-Versicherung zeitlich nicht beschränkt ist. Es kommt oft vor, daß die Versicherung nur für die Dauer des Projektes gilt. Es können aber nachträgliche Haftungen herauskommen, die dann nicht gedeckt wären.

Bei der Beseitigung von Mängel kann es zu sogenannten „Nachbesserungsschäden“ kommen. Es wird zB der Boden aufgerissen, um eine Leitung neu zu legen. Hiefür ist eine gesonderte Versicherung abzuschließen, die sehr zu empfehlen ist. Seit das Versicherungswesen liberalisiert ist, kann mit jeder Versicherung über zusätzliche Deckung verhandelt werden, so zB, daß sie die Sachverständigenkosten für die Feststellung von Mängeln zu übernehmen hat etc. Auf keinen Fall versichert werden können, wie bisher, Schäden am eigenen Werk und Ansprüche aus Nichterfüllung des Vertrages. Dafür muß man Verständnis haben, auch mit wenig Phantasie kann man sich ungeahnte Mißbrauchsmöglichkeiten ausmalen.

NEUE EU-RICHTLINIE

Das Europäische Parlament hat kürzlich eine Richtlinie für ein einheitliches Europäisches Gewährleistungsrecht im Bezug auf Konsumenten beschlossen. Er bezieht sich auf Warenkäufe (bewegliche Sachen), welche Verbraucher tätigen. Die wesentlichen Änderungen, welche sich zu unserem derzeitigen Gewährleistungsrecht ergeben, sind:

  • In Zukunft haftet der Händler für sämtliche Herstellerangaben des Produktes. Darunter werden auch Werbeaussagen verstanden. Eine Haftung für solche Äußerungen gibt es nur dann nicht, wenn der Händler nachweist, daß er die betreffende Anpreisung beim Kauf berichtigt hatte bzw. ein vernünftiger Mensch an solche Aussage (zB marktschreierische Werbung) nicht glauben konnte.
  • Die Richtlinie sieht vor, daß die Gewährleistungsfrist erst zwei Jahren nach Lieferung der Ware (bisher 6 Monate) endet.
  • Obige Regelung darf in Verträgen oder Geschäftsbedingungen nicht eingeschränkt oder ausgeschlossen werden.

Rechtsanwälte
PICCOLRUAZ & MÜLLER

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