Wir alle haben die Fernsehbilder aus Frankreich gesehen, die die Stelle zeigten, an der sich der berühmte Formel 1-Fahrer lebensgefährlich verletzte. Mittlerweile haben die Behörden dort Fremdverschulden ausgeschlossen. Diese Auffassung teilen wohl auch die meisten TV-Seher. Denn der Unfallsort lag deutlich außerhalb der präparierten Piste, überall ragten Felsbrocken aus der Schneedecke hervor. Was aber, wenn diese nur leicht zugeschneit gewesen wären? Immerhin lockte wenige Meter daneben eine zweite Piste. Es schien recht einladend, dorthin zu queren.
Rechtslage ist klar
Die Rechtslage in Österreich ist in solchen Fällen ziemlich klar. Die Anforderungen an die Lift – beziehungsweise Pistenbetreiber sind streng und - um auf den Artikel unserer letzten Ausgabe zurückkommen-: Je sorgfältiger die Pistenbetreiber Gefahren beseitigen, umso weniger scheinen sich die Skifahrer bewusst zu sein, dass sie selber Eigenverantwortung tragen.
Auf ausdrücklich oder schlüssig gewidmeten Pisten darf jeder Skiläufer erwarten, dass er sich
keinerlei a-typischen Gefahren aussetzt, und dass die Route
gegen Lawinen und Steinschlag
abgesichert ist.
„Freier Skiraum“ - auf eigene Gefahr
Im Gelände außerhalb von Skipisten oder Skirouten, im „nicht organisierten freien Skiraum“, fährt ein Skifahrer hingegen grundsätzlich auf
eigene Gefahr. Er muss selbst Vorkehrungen treffen, dass er nicht durch Lawinen, Felsabbrüche oder Gletscherspalten gefährdet ist. Ganz allgemein besteht keine Verpflichtung, durch Warntafeln oder Abschrankungen zu verhindern, dass Skifahrer in freies Gelände einfahren.
Warntafeln
Abschrankungen etwa sind nur erforderlich, wenn Pisten ganz oder teilweise gesperrt werden - zum Beispiel nach Betriebsschluss oder bei Präparierungsarbeiten. Der Pistenerhalter darf darauf vertrauen, dass sich die Skifahrer an
gut lesbare Hinweise halten und muss nicht noch weitere Maßnahmen setzen, um das Befahren einer gesperrten Piste zu verhindern.
Obwohl es nicht dezidiert vorgeschrieben ist, dürfte es gelegentlich unumgänglich sein, Markierungsstangen anzubringen, um bei Nebel oder Neuschnee eine Orientierung über den Pistenverlauf zu geben. Ob das Fehlen solcher bei kritischen Situationen zu einer Haftung führen könnte, ist bisher jedoch nicht eindeutig ausjudiziert.
Wenn der Pistenbetreiber Voraussetzungen schafft, den freien Skiraum zu befahren (1 Ob 77/03k), oder er beispielsweise weiß, dass zu einer in der Mitte der Abfahrtstrecke liegenden
bewirtschafteten Hütte zugefahren wird, kann die Haftung ebenfalls greifen. Er wird wohl auf die Gefahren hinweisen müssen.
Sonderfälle
Der Oberste Gerichtshof hat die Pistensicherungspflicht auf einen Bereich von
zwei bis drei Meter außerhalb der präparierten Piste ausgeweitet. Wenn
Sturzräume unmittelbar neben der Pistengrenze liegen, enge Kehren im steilen Gelände befahren werden müssen oder unübersichtliche scharfe Richtungsänderungen die Gefahr erhöhen von der Piste abzukommen oder abzustürzen, ist
auch dieser
Gefahrenbereich zu sichern. Eine Haftung der Pistenerhalter ist aber immer nur dann gegeben, wenn der Verletzte innerhalb der Piste unterwegs war und dabei über den Rand hinaus in eine solche Gefahrenstelle gestürzt ist.
Es gibt allerdings auch Fälle, in denen die Sportler vor dem Obersten Gerichtshof mit Haftungsansprüchen durchgekommen sind, obwohl sie sich im freien Gelände verletzt hatten. So war etwa ein Skifahrer über eine
Zuleitung zu einer Schneekanone gestürzt. Die Richter argumentierten, dass der Seilbahnbetreiber gewusst habe, dass sich die Sportler in diesem Bereich gelegentlich im nicht geschützten Skiraum tummeln. Er hätte dort nicht eine zusätzliche Gefahrenquelle installieren dürfen. Diese Entscheidung wurde zu Recht heftig kritisiert, weil der Oberste Gerichtshof hier von einer auf einem Vertragsverhältnis basierenden Haftung ausgeht.
Eigenverantwortung
Die strenge Verpflichtung zur Beseitigung aller möglichen Gefahren auf Pisten enthebt den Benutzer nicht von der Verpflichtung, eigenverantwortlich zu handeln. Er muss seine Fahrweise an schwierigen Stellen und bei „viel Verkehr“ anpassen und so das Unfallsrisiko mindern.
Mag. Johannes Sander