suchen

Strenge Organhaftung bei Steuerschulden

Geschäftsführer und Vorstandsmitglieder haften nach §9 der Bundesabgabenordnung (BAO) für ausständige Steuern und Abgaben, wenn diese aufgrund schuldhafter Pflichtverletzungen bei der juristischen Person nicht eingebracht werden können. Solche Haftungsfälle sind relativ häufig. Im Verfahren kommt es immer wieder vor, dass Geschäftsführer oder Vorstandsmitglieder Schwierigkeiten haben, sich die erforderlichen Unterlagen zu beschaffen, um die Haftung abzuwenden.

Bei Steuerschulden entsteht für die Betroffenen eine heikle Situation. Das Finanzamt kann ohne weitere Untersuchungen einen Haftungsbescheid erlassen, und die Höhe der Haftung ist nicht beschränkt. Der Geschäftsführer bzw. das Vorstandsmitglied ist verpflichtet, im Verfahren „qualifiziert“ mitzuwirken. Wird dem nicht entsprochen, geht der Fiskus von einem pflichtwidrigen Verhalten aus. Der Betreffende muss seine Unschuld erst beweisen.

Die Haftung eines Geschäftsführers oder Vorstands endet nicht mit seinem Ausscheiden aus dem Betrieb. Entscheidend sind die Bestimmungen über die Verjährung im Abgabenrecht. Betroffene sollen also ihre Unschuld beweisen, obwohl ihnen die erforderlichen Informationen gar  nicht (mehr) zur Verfügung stehen.

Der Verwaltungsgerichtshof ist in dieser Sache streng: Ein ausscheidendes Organ müsse alle notwendigen Urkunden ausdrucken und (bzw.) mitnehmen, damit es sich später in einem allfälligen Abgabenverfahren „freibeweisen” kann. Diese Verpflichtung ergebe sich aus der „qualifizierten Mitwirkungspflicht“ wie sie die BAO normiert habe (VwGH 29. Mai 2013,2010/16/00 19, 19. März 2015,211/16/0188).

In der Realität ist es aber kaum möglich, dieser Verpflichtung gerecht zu werden. Einerseits wird es kaum ein ausscheidendes Organ schaffen, sämtliche Buchhaltungsunterlagen und andere notwendige Dokumente „auszudrucken und mitzunehmen“, wie es die Höchstrichter verlangen. Andererseits bestehen rechtliche Hindernisse, dies zu tun. Schließlich gehören diese Daten zu den wesentlichen Geschäftsgeheimnissen einer Firma. Sowohl das Gesetz als auch die meisten Dienstverträge verbieten die Mitnahme solcher Unterlagen. Muss ein Geschäftsführer also Gesetze (Verträge) brechen, um seiner Mitwirkungspflicht in einem Abgabenverfahren nachzukommen?

Rechtsstaatlich bedenklich

Zwar kann der Betreffende, wenn er vom Finanzamt in Anspruch genommen wird, von seinem früheren Arbeitgeber verlangen, dass ihm die Unterlagen zur Verfügung gestellt werden oder er zumindest Einsicht bekommt. Oft sind zu diesem Zeitpunkt aber schon Jahre vergangen und die Unterlagen gar nicht mehr alle vollständig erhalten.

Eigentlich könnte das Finanzamt selbst dieses Dilemma lösen. Die Beamten sind von Amts wegen berechtigt, die Urkunden und Unterlagen einzusehen. Es müsste also genügen, wenn das in Anspruch genommene Organ diese benennt, um seiner Mitwirkungspflicht nachzukommen. Die Forderung des Verwaltungsgerichtshofes, dass ein Organ beim Ausscheiden aus der Firma alle fraglichen Urkunden und Daten ausdrucken bzw. mitnehmen müsse, ist nicht nur realitätsfremd, sondern auch bedenklich.

Rechtsanwälte
PICCOLRUAZ & MÜLLER

Werdenbergerstraße 38
6700 Bludenz
Vorarlberg, Österreich

Tel. +43 5552 62 286
Fax +43 5552 62 286-18
office@pm-anwaelte.at

Kontakt aufnehmen


CAPTCHA-Bild

* Diese Informationen sind notwendig um Doppelvertretungen/Interessenskollisionen zu vermeiden.