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Neues Grundverkehrsgesetz: Ausverkauf der Heimat? - 05/2004

Das Land Vorarlberg hat aus Entscheidungen des EuGH die Konsequenzen gezogen und ein neues Grundverkehrsgesetz beschlossen. Erstaunlicherweise gab es keine Allparteieneinigung. Die scheiterte an der gänzlichen Freigabe des Verkehrs von Bau-Grundstücken.

Baugrundstücke:
Das Land hat sich zur völligen Freigabe entschlossen und darauf verzichtet, eine Erklärung zu verlangen, bis wann der Erwerber ein Grundstück zu bebauen gedenkt. Die Regierungsparteien argumentierten: Eine solche Erklärung habe keine Wirkung und veranlasse nur unnützen und nicht zu rechtfertigenden Bürokratieaufwand. Es gebe zu viele Umgehungsmöglichkeiten, ein Bauzwang sei der falsche Weg. Auch könne man sich bei nachgewiesener Nichterfüllung nicht vorstellen, die Rückabwicklung oder Zwangsversteigerung anzuordnen. Die Opposition war der Meinung, das Erklärungsverfahren sei der Behörde zuzumuten, über Sanktionen könne man Grundstückspekulationen verhindern und den Boden auch für weniger betuchte Leute erschwinglich machen bzw. erhalten.

Sanktionen wie Rückabwicklung oder Zwangsversteigerung sind tatsächlich kaum realisierbar. Man hätte sich aber darauf einigen können, für krasse Fälle die Verwaltungsstrafen so anzuheben, dass sie auf Spekulanten abschreckend wirken.

Landwirtschaftliche Grundstücke:
Pochten die Regierungsparteien bei den Baugrundstücken auf Entbürokratisierung so fand bei landwirtschaftlichen Gründen – dies allerdings einstimmig – eine unübersichtliche Überfrachtung statt und dies mit Formulierungen, die den Praktiker skeptisch stimmen.

Inhaltlich hat man sich darauf geeinigt, den ortsansässigen Landwirten quasi ein Vorkaufsrecht einzuräumen, wenn es um ein Grundstück geht, das größer als 300 m² ist. Ist es sogar größer als 1000 m² muss ein förmliches Verfahren (Anschlag bei der Gemeindetafel, „ortsüblicher Preis“, Prüfung des Aufstockungsbedarfes etc.) eingeleitet werden. Ist ein Landwirt bereit, zum ortsüblichen Preis einzusteigen, kann er dies der Grundverkehrskommission mitteilen. Er muss allerdings nachweisen, dass er es zur Aufstockung seines Betriebes benötigt und den Kauf zu finanzieren in der Lage ist. Der Verkäufer kann sich dann immer noch überlegen, ob er an den Ortsansässigen verkaufen will, das Geschäft mit dem ersten Interessenten wird jedenfalls nicht mehr genehmigt.

Viele offene Fragen:
Man kann sich vorstellen, was in der Praxis bei einem so komplizierten Verfahren alles ablaufen wird. Zunächst: Ein „Preisstopp“ auf dem „ortsüblichen Level“ ist nicht unproblematisch. Auch steht im Gesetz nicht, dass der ortsansässige Landwirt ein verbindliches Anbot abzugeben hat. Er muss sich lediglich „bereit erklären“ zum ortsüblichen Preis zu erwerben. Wie lange ist er an seine „Bereitschaftserklärung“ gebunden? Was wird, wenn er widerruft, keinen Vertrag unterschreibt, nicht zahlt? Wird das Verfahren wiederholt oder kann an den Erstinteressenten verkauft werden? Was ist, wenn sich mehrere Landwirte für das Grundstück interessieren und die Voraussetzungen für den Erwerb nachweisen und sich dann gar einer bereit erklärt, einen höheren als den ortsüblichen Preis zu zahlen?

Den Praktiker lassen auch die nachfolgende (mehrfach gebrauchte) Formulierung erschauern: „Rechte an einem Grundstück dürfen im Grundbuch nur eingetragen werden, wenn „........ das Gericht mit Sicherheit annehmen kann, dass ....“.“ „Mit Sicherheit annehmen“ ist ein in sich widersprüchlicher Begriff, den jedes Gericht in jedem Fall anders interpretieren kann.

Wenn in den erläuternden Bemerkungen zum Gesetz davon die Rede ist, dass man an bürokratischem Mehraufwand nur einen Anschlag an die Gemeindetafel habe, dann ist das blauäugig. Die Feststellung des ortsüblichen Preises und die Überprüfung der Aufstockungsbedürftigkeit des ortsansässigen Betriebes kann sich zu einem komplizierten Verfahren auswachsen.

Um nicht missverstanden zu werden: Der Schutz unserer bäuerlichen Betriebe ist ein unumstrittener Wert.

Die jetzt beschlossenen Werkzeuge werden aber wohl – nach einigen Jahren Praxis – einer Nachjustierung bedürfen.

Rechtsanwälte
PICCOLRUAZ & MÜLLER

Werdenbergerstraße 38
6700 Bludenz
Vorarlberg, Österreich

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