Entlassungsgründe müssen vom Arbeitgeber grundsätzlich unverzüglich geltend gemacht werden.
Der Kläger war bei der Beklagten als Distributionsleiter beschäftigt. Er wurde am 27.7.2016 wegen Missständen in seiner Zustellbasis dienstfreigestellt und (erst ein knappes Jahr später) mit Schreiben vom 4.7.2017 entlassen. Der Kläger begehrte, die Entlassung für rechtsunwirksam zu erklären. Sie sei verfristet. Die Beklagte bestritt und beantragte unter Hinweis auf ihre Nachforschungen Klageabweisung.
Die Vorinstanzen wiesen das Klagebegehren ab. Der Kläger habe infolge der Dienstfreistellung nicht annehmen können, dass die Beklagte auf ihr Entlassungsrecht verzichtet habe.
Der Oberste Gerichtshof gab der dagegen gerichteten Revision des Klägers Folge, gab dem Klagebegehren statt und erklärte die Entlassung für rechtsunwirksam.
Er stellte klar, dass Gründe für die vorzeitige Lösung eines Dienstverhältnisses bei sonstiger Verwirkung des Entlassungsrechts unverzüglich, das heißt ohne schuldhaftes Zögern geltend zu machen sind. Ein Arbeitgeber, der eine Verfehlung seines Arbeitnehmers nicht sofort mit der Entlassung beantwortet, sieht dessen Weiterbeschäftigung in der Regel nicht als unzumutbar an.
Zwar können vorläufige Maßnahmen, etwa die bis zur Klärung der tatsächlichen oder rechtlichen Lage vorgenommene Suspendierung eines Arbeitnehmers, die Annahme eines Verzichts des Arbeitgebers auf die Ausübung des Entlassungsrechts verhindern. Allerdings muss die Dienstfreistellung zur Klärung der tatsächlichen oder rechtlichen Voraussetzungen für einen Entlassungsausspruch erfolgen und für den Dienstnehmer als vorläufige Maßnahme zur Vorbereitung einer Entlassung erkennbar sein. Denn dann kann aus dem Zeitablauf allein nicht auf einen Verzicht auf die Ausübung des Entlassungsrechts geschlossen werden.
Eine Suspendierung des Dienstnehmers vom Dienst schließt daher nicht in jedem Fall eine Verwirkung des Entlassungsrechts aus. Sie bedeutet insbesondere nicht, dass der Dienstgeber in jedem Fall über die Dauer der Erhebungen hinaus bis zu einem beliebigen Zeitpunkt die Entlassungsgründe „vorrätig“ halten und mit dem Ausspruch der Entlassung zuwarten könnte. Denn wurde der Sachverhalt ermittelt und werden keine weiteren Abklärungen mehr vorgenommen, ohne dass der Dienstgeber den Fortbestand des Dienstverhältnisses in Frage stellt, kann sich bei einem suspendierten Dienstnehmer mit zunehmendem Zeitverlauf der Eindruck verfestigen, dass die Suspendierung aus anderen Erwägungen als aus jenen erfolgt, die Anlass der Suspendierung waren.
Was hier eine nahezu einjährige Dauer der Abklärung der Sach- und Rechtslage erforderlich gemacht hätte, ging weder konkret aus dem Vorbringen der Beklagten noch aus dem festgestellten Sachverhalt hervor. Die monatelange Nichtreaktion der Beklagten konnte vom Kläger daher auch dahin verstanden werden, dass die Beklagten die Vorkommnisse in der Zustellbasis nicht mehr zum Anlass einer Entlassung nehmen wollte. Die Entlassung war daher wegen Verfristung rechtsunwirksam.
OGH | 9 ObA 20/19k
(obiger Text entstammt teilweise oder gänzlich aus der vom OGH veröffentlichten Entscheidungs-Kurzfassung)