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22. Jun. 2022

Haftung des Veranstalters einer Versammlung für den von ihm namhaft gemachten Leiter?

Durch die Bestellung des Leiters erfolgt auch ein Übergang der Pflichten nach § 11 Versammlungsgesetz 1953 (VersG), die bis dahin beim Veranstalter lagen, auf den Leiter. Dieser wird in dieser Funktion nicht als Repräsentant oder Gehilfe des Veranstalters tätig, sondern in Eigenverantwortung gegenüber den Behörden.

Bei einer von den Beklagten veranstalteten Versammlung (Demonstration) wurde durch vermummte Teilnehmer das Haus des Zweitklägers, in dem sich das Lokal des Erstklägers befindet, mit Farbbeuteln beworfen. Die Kläger begehren Schadenersatz. Die Beklagten hätten für den Schaden einzustehen, weil bei der Versammlung das Vermummungsverbot nicht eingehalten worden sei, das auch den Zweck habe, die Schädigung Dritter unter dem Deckmantel der Anonymität zu verhindern. Die Beklagten bestritten und machten geltend, alle zumutbaren Sicherungsmaßnahmen eingehalten zu haben.

Das Erstgericht gab der Klage statt. Das Berufungsgericht gab der Berufung der Beklagten Folge und wies das Klagebegehren ab.

Der Oberste Gerichtshof gab der Revision der Kläger nicht Folge.

Aus § 11 VersG ergibt sich die primär den Leiter der Versammlung treffende Pflicht, für die Wahrung des Gesetzes und für die Aufrechterhaltung der Ordnung in einer Versammlung zu sorgen. Diese Pflicht, die zunächst beim Veranstalter liegt, geht durch die Bestellung des Leiters auf diesen über. Er wird daher in dieser Funktion nicht als Repräsentant oder Gehilfe des Veranstalters tätig, sondern in Eigenverantwortung gegenüber den Behörden. Damit kann aber dahingestellt bleiben, ob § 11 VersG ein Schutzgesetz ist, da sich daraus nur eine Haftung des Leiters, nicht des Veranstalters ableiten ließe. Werden nach zulässiger Übertragung von Schutzgesetzpflichten eigenverantwortlich eigene gesetzliche Pflichten erfüllt, haftet der Übertragende nur noch für Auswahlverschulden, das aber im vorliegenden Fall von den Klägern nicht behauptet wurde.

Der Veranstalter einer Demonstration ist weiters verpflichtet, alle möglichen und zumutbaren Vorkehrungen zu treffen, sodass keine Gefahr für Teilnehmer oder Dritte von der Veranstaltung ausgeht. Im konkreten Fall handelte es sich um eine angemeldete Versammlung, die von ihrer Konzeption her nicht darauf angelegt war, dass es zu Eingriffen in die Rechtssphäre Dritter kommen sollte. Der Ablauf der Versammlung wurde von den Veranstaltern mit der Polizei erörtert. Die Organisation im Hinblick auf Leitung und Ordner entsprach nicht nur den Vorgaben der Polizei, es wurden vielmehr eine größere Anzahl an Ordnern bestellt und erfahrene Versammlungsleiter ausgewählt. Den Beklagten war das Vermummungsverbot bewusst und es wurde auch dafür gesorgt, dass die Teilnehmer bei der Versammlung durch Durchsagen bei Beginn der Versammlung konkret darauf hingewiesen wurden. Unter Berücksichtigung dieser Gesamtumstände ist das Berufungsgericht zu Recht davon ausgegangen, dass den Beklagten als Veranstaltern der Versammlung keine Verletzung von Verkehrssicherungspflichten zur Last zu legen ist.

OGH | 9 Ob 8/20x

(obiger Text entstammt teilweise oder gänzlich aus der vom OGH veröffentlichten Entscheidungs-Kurzfassung Hervorhebungen bisweilen von uns)

 

 

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