Hat der Kunde das Vorhandensein einer Gefahrenquelle in einem von Kunden stark frequentierten Bereich eines Supermarkts als Ursache für seinen Sturz nachgewiesen, obliegt dem Betreiber des Supermarkts der Nachweis, dass es ohne ein Verschulden seiner Mitarbeiter zur Entstehung und zum Aufrechtbleiben der Gefahrenquelle gekommen ist.
Der Kläger wollte am Unfallstag in dem stark frequentierten Supermarkt der Beklagten einkaufen. Als er sich mit den eingekauften Waren Richtung Kassa begeben wollte, rutschte er in einer etwa 1 m x 1 m großen Lacke, die sich bei der Palette mit den isotonischen Getränken gebildet hatte, aus. Er kam zu Sturz und zog sich eine Zerrung des linken Kniegelenks mit einer Ruptur des Innenseitenbandes zu.
Der Kläger begehrte von der Beklagten die Zahlung von Schmerzengeld sowie Schadenersatz.
Das Erstgericht vertrat die Ansicht, die Beklagte habe aufgrund der weiters getroffenen Feststellungen nicht beweisen können, dass sie am Vorhandensein der unfallskausalen Lacke kein Verschulden treffe. Da der Kläger, wenn er „vor seine Füße geschaut hätte“, die Lacke wahrnehmen hätte können, treffe ihn ein Mitverschulden von einem Drittel.
Das Berufungsgericht wies das Klagebegehren zur Gänze ab und vertrat die Ansicht, die Beklagte treffe keine Haftung, weil kein Anhaltspunkt dafür bestehe, dass die Lacke vor dem Unfall bereits so lange bestanden habe, dass ihr Übersehen den Mitarbeiterinnen der Beklagten als Verstoß gegen die Verkehrssicherungspflicht angelastet werden könne.
Der Oberste Gerichthof hob die Urteile der Vorinstanzen in dem noch strittigen Umfang auf und verwies die Rechtssache zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurück. Er setzte sich ausführlich mit Lehre und Rechtsprechung in Österreich und Deutschland auseinander und gelangte zu dem Ergebnis, der Kläger habe nachgewiesen, dass zu einem Zeitpunkt, in dem sich viele Kunden im Geschäft befanden, am Boden in einem stark frequentierten – zur Kassa führenden – Gang eine Lacke vorhanden war, die entstanden ist, weil aus einer schadhaften im Geschäftslokal zum Verkauf angebotenen Getränkedose Flüssigkeit ausgeronnen ist. Das Bestehen einer derartigen Gefahrenquelle in einem häufig frequentierten Bereich wie dem Kassabereich lässt (aller Erfahrung nach) darauf schließen, dass vom Betreiber des Supermarkts die geforderte Kontroll- und Beseitigungspflicht nicht eingehalten wurde. Es obliegt daher nunmehr der Beklagten der Beweis dafür, dass es zur Entstehung und zum Aufrechtbleiben der Gefahrenquelle ohne ein Verschulden ihrer Mitarbeiter gekommen ist. Dieses Ergebnis berücksichtigt, dass die Beklagte sachnäher zum Beweis ist, weil nur sie Einblick in die von ihr entwickelten Reinigungs- und Kontrollmaßnahmen und der tatsächliche Handhabung am Unfallstag hat. Zur Klärung der Frage, ob von der Beklagten ausreichende Reinigungs- und Kontrollmaßnahmen zur Gefahrenabwehr getroffen wurden, sind noch weitere Feststellungen erforderlich.
OGH | 10 Ob 53/15i
(obiger Text teilweise oder gänzlich aus der vom OGH veröffentlichten Kurzfassung)