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7. Jun. 2017

Sportunfälle: Spielniveau entscheidend für Typizität eines Regelverstoßes

Der Kläger begehrte an Schmerzengeld 21.000 EUR s.A. und die Feststellung der Haftung der Beklagten für Dauer- und Spätfolgen. Er brachte vor, versucht zu haben, den zu Boden fallenden Ball im Spiel zu halten. Durch ein schuldhaft regelwidriges Verhalten der Beklagten – zweiter Schlag gegen den Ball – habe er eine schwere Augenverletzung erlitten. Deren Folge sei eine bleibende Sehschwäche. Spät- und Dauerfolgen seien nicht auszuschließen.

Die Beklagte wendete ein, sie habe aus Enttäuschung über ihr misslungenes Aufspiel versucht, den Ball noch einmal zu schlagen und den Kläger vor dem ihn treffenden Schlag nicht wahrgenommen. Eine Gefährdung der körperlichen Unversehrtheit von Sportausübenden folge aus dem Wesen des Sports. Emotionen gehörten zum Volleyballsport. Die Situation sei spieltypisch gewesen. Leichte Regelverstöße seien nicht unüblich und vergrößerten das gewöhnliche Risiko nicht wesentlich. Den Kläger treffe ein Mitverschulden von zwei Dritteln, weil er – ohne reelle Chance – sorglos versucht habe, einen sehr schwierigen Ball noch zu spielen.

Das Erstgericht sprach nach Einschränkung der Verhandlung auf den Grund des Anspruchs mit „Teil- und Zwischenurteil“ aus, dass das Zahlungsbegehren dem Grunde nach zu Recht bestehe.

Das Berufungsgericht bestätigte dieses Urteil.

Der Oberste Gerichtshof hob die Urteile der Vorinstanzen auf und verwies die Rechtssache zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurück. Nach dessen Ansicht ist die Unterscheidung zwischen typischen und atypischen Regelverstößen für die Lösung der Haftungsfrage entscheidend. Regelverstöße innerhalb einer „Hobbymannschaft“ könnten häufig vorkommen. Es könnten aber auch Spieler mit unterschiedlicher Spielstärke den Sport ausüben. Bei Beurteilung der Typizität deren sportlichen Verhaltens gelte ein anderer Maßstab als etwa bei Spielern einer professionellen oder besonders spielstarken Mannschaft. Deshalb sei die Erfahrenheit der Spieler maßgebend dafür, ob ihnen die Ursachen für Regelverstöße – so etwa eine Emotion (Ärger über spielerisches Ungeschick) – haftungsbegründend anzulasten seien. Emotionelle Handlungen als Ursache von Sportunfällen lösten – insbesondere bei Kampfsportarten – nicht schon generell eine Haftung aus. Der feststehende Ärger der Beklagten und deren Folgen wären somit nur dann haftungsbegründend, wenn diese nach ihrem Können und ihrer Spielerfahrung in der konkreten Spielsituation jedenfalls damit habe rechnen müssen, es werde ein Mitspieler in ihrer unmittelbaren Nähe – wie hier der Kläger – versuchen, den Ball noch im Spiel zu halten. Im fortgesetzten Verfahren bedürfe es daher ergänzender Feststellungen zur Spielstärke und Erfahrung der Spieler der betreffenden „Hobbymannschaft“, so insbesondere auch der Beklagten; ferner sei von Bedeutung, wie häufig sich Regelverstöße ähnlich dem streitverfangenen in der Vergangenheit ereignet hätten und wie aussichtsreich der Versuch des Klägers gewesen sei, den Ball noch im Spiel zu halten. Sollte die gebotene Sachverhaltsergänzung ergeben, dass auf Grund der Spielstärke und Erfahrung dieser „Hobbymannschaft“ Spieler häufig versucht hätten, beim Volleyballspiel auch schwierige „derartige Bälle über das Netz zu bringen“, und hätte auch die Beklagte über diese Erfahrung verfügt, so werde ihre Haftung zu bejahen sein. Ihr Sorgfaltsverstoß wäre dann nicht mehr als leicht und damit die Rechtswidrigkeit ausschließend zu beurteilen.

OGH | 3 Ob 91/06p 

 

 

Kategorien: Skirecht / Sportrecht

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