suchen

4. Apr. 2012

Schöffengericht: Beweiswürdigung unanfechtbar

Anders als beim Einzelrichter kann die Beweisführung nicht mehr angefochten werden.

Entscheidend für einen Schuld- oder Freispruch ist im Strafverfahren oft die Beweiswürdigung durch das Gericht. Im Budgetbegleitgesetz 2009 wurde die Strafprozessordnung dahingehend geändert, dass das Schöffengericht aus einem Berufsrichter und zwei Schöffen besteht, der zweite Berufsrichter wurde eingespart. Eine Besonderheit der Schöffengerichte liegt darin, dass deren Urteile nur eingeschränkt bekämpft werden können: die für die maßgeblichen Sachverhaltsfeststellungen in den meisten Fällen entscheidende Beweiswürdigung durch das Schöffengericht darf der Oberste Gerichtshof nach den Bestimmungen der Strafprozessordnung nämlich nicht überprüfen, sondern nur die Schlüssigkeit der vom Schöffengericht aus den Feststellungen des maßgeblichen Sachverhaltes abgeleiteten Verdachtsgründe und die materiellrechtliche Beurteilung dieses Sachverhaltes.

Ist daher das Schöffengericht etwa der Auffassung, dass dem Beschuldigten nicht zu glauben ist, hingegen der einzige Zeuge glaubwürdig ist, und stellt aufgrund dieser Beweiswürdigung einen Sachverhalt fest der materiellrechtlich strafbar ist und daher zu einer Verurteilung führt, dann ist diese Beweiswürdigung unanfechtbar. Das Schöffengericht bleibt in diesem Fall die erste und letzte Instanz. Anders hingegen beim Urteil eines Einzelrichters über einen Diebstahl: die Beweiswürdigung des Einzelrichters ist sehr wohl anfechtbar.Die Verweigerung der Anfechtbarkeit der Beweiswürdigung eines Schöffengerichtes wird mit der Beteiligung von Laienrichtern und deren Kontrolle begründet. Die Entscheidung über Schuld und Strafe in einem Schöffengerichtsverfahren wird nämlich gemeinsam vom Berufsrichter und den beiden Laienrichtern getroffen.

Laienbeteiligung
Wenn das Gesetz vorsieht, dass die Beweiswürdigung eines Gerichtes mit Laienbeteiligung (gilt sowohl für Schöffen als auch für Geschworenengerichte) dann hat dies historische Gründe. Es sollte sichergestellt sein, dass nicht Berufsrichter die Meinung von Laien was die Beweiswürdigung betrifft in einem weiteren Verfahrenszug enden können. Die Beteiligung des Volkes an der Rechtssprechung sollte so ein besonderes Gericht haben. In der Praxis führt diese heute überholte Wertung desweilen zu unbefriedigenden Ergebnissen.

Einzelrichter fehleranfälliger?
Niemand ist unfehlbar. Gerade deswegen besteht ja in der Regel auch die Möglichkeit von Rechtsmitteln einschließlich der Anfechtung der Beweiswürdigung des Erstgerichtes. Wieso das Urteil eines Einzelrichters bei einem Diebstahl sehr wohl auch wegen der Beweiswürdigung bekämpft werden kann, hingegen ein mit erheblich höherer Strafe bedrohter schwerer Betrug oder bewaffneter Raub (Zuständigkeit des Schöffengerichts) nicht, ist ein Wertungswiderspruch, der nicht mit der Laienbeteiligung wegargumentiert werden kann. Die eingeschränkte Anfechtbarkeit der Beweiswürdigung eines Schöffengerichtes macht ein erfolgreiches Rechtsmittel daher schwieriger als bei der Entscheidung eines Einzelrichters.++++ Sinngemäß das Gleiche gilt übrigens für die Geschworenengerichte, wobei man aber hier einräumen muss, dass der Einfluss der Berufsrichter bei der Urteilsfindung deutlich eingeschränkter ist und in der Regel auch eine wesentlich tiefere Befassung mit den Beweisergebnissen durch die acht Geschworenen stattfindet, samt einer Abstimmung, die beim Gleichstand zum Freispruch führt. Grundsatz ist aber auch hier, die Beweiswürdigung der Laienrichter ist unanfechtbar.

Patrick Piccolruaz, Rechtsanwalt, Bludenz

Kategorien: Sonstiges

x

Rechtsanwälte
PICCOLRUAZ & MÜLLER

Werdenbergerstraße 38
6700 Bludenz
Vorarlberg, Österreich

Tel. +43 5552 62 286
Fax +43 5552 62 286-18
office@pm-anwaelte.at

Kontakt aufnehmen


CAPTCHA-Bild

* Diese Informationen sind notwendig um Doppelvertretungen/Interessenskollisionen zu vermeiden.