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3. Apr. 2017

Pflegeverein - Beitragspflicht nach Kündigung - sittenwidrige unechte Vertragsstrafe

Der 2007 gegründete beklagte Verein vermittelt in Teilen Österreichs Leistungen der Personenbetreuung. Er wurde von einer diplomierten Krankenschwester ins Leben gerufen, hat acht Angestellte und betreut durchschnittlich 60 bis 100 Familien mit Schwerpunkt in Ostösterreich. Neben der Vermittlung von Betreuerinnen (idR aus der Slowakei oder der Tschechischen Republik) werden auch verschiedene andere Leistungen angeboten wie zB die Unterstützung bei Behördenwegen (zB Pflegegeld) und der Organisation von Facharztterminen, Therapien, Spitalsaufenthalten sowie Sterbebegleitung. Die Einschreibegebühr beträgt 270 € und die monatliche Gebühr 365 €. Der Bekl arbeitet kostendeckend; mit Überschüssen werden Investitionen getätigt. Gut einem Drittel der Betreuten wird die Vereinsgebühr teilweise erlassen bzw Pflegematerial kostenlos zur Verfügung gestellt.

Der klagende Verein begehrte in seiner Klage die Untersagung der Verwendung von sechs Klauseln der AGB bzw Vertragsformblätter und die Ermächtigung zur Veröffentlichung des klagsstattgebenden Teils des Urteilsspruchs in einer Samstagsausgabe der „Kronen Zeitung“ bzw in eventu im redaktionellen Teil eines österreichischen Printmediums nach Auswahl des erkennenden Gerichts.

Die Vorinstanzen untersagten vier der inkriminierten Klauseln und wiesen das Klagebegehren in Bezug auf zwei weitere Klauseln des Vermittlungsvertrags sowie das Veröffentlichungsbegehren ab.

Der OGH gab der Revision hinsichtlich einer Klausel Folge und bestätigte im Übrigen das angefochtene Urteil.

 Es wird jedoch gegen § 879 Abs 3 ABGB verstoßen: Die Klausel statuiert eine Leistungspflicht in Höhe der Vereinsgebühr auch nach Beendigung der Vereinsmitgliedschaft, „solange und wann auch immer“ die vermittelte Betreuungskraft beschäftigt wird. Bei kundenfeindlichster Auslegung ergibt sich daraus ein zeitlich nicht limitiertes Beschäftigungsverbot bzw aus Sicht der Betreuungsperson ein ebensolches Konkurrenzverbot. Das Interesse des Vereins, seine umfassenden Leistungen honoriert zu erhalten, mag zwar durchaus eine gewisse zeitlich befristete Untersagung der (Weiter-)Beschäftigung der vermittelten Betreuungsperson im Fall der Kündigung der Vereinsmitgliedschaft rechtfertigen; ein zeitlich unbefristetes Verbot ist jedoch gröblich benachteiligend iSd § 879 Abs 3 ABGB.

OGH 23. 2. 2017, 2 Ob 29/16b

 

Kategorien: Sonstiges

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