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9. Sep. 2020

Medizinprodukt – Arzneimittel, die Wirkung macht den Unterschied

Ein Produkt kann nicht zugleich Arzneimittel und Medizinprodukt sein. Bei der Abgrenzung ist auf die hauptsächliche Wirkung abzustellen.

Die Beklagte vertreibt im Internet (auch in Österreich) Produkte mit den Bestandteilen Zeolith und Bentonit und bewirbt diese damit, sie könnten zur „natürlichen Entgiftung“ eingesetzt werden, sie dienten der „Entgiftung im gesundheitlichen Bereich“ und sie seien „sanfte Entgifter für unterwegs“. Die Beklagte bestätigte auch auf Anfrage, ihre Produkte könnten auch bei Ekzemen sowie – unter Hinweis auf die geprüfte Arzneimittelqualität – bei „Mensch und Tier“ angewendet werden.

Der klagende Wettbewerbsschutzverband beantragte, der Beklagten zu verbieten, ihre Produkte mit Zeolith und Bentonit als Medizinprodukte zu vertreiben, wenn diese nicht als solche zugelassen sind, sowie diese Produkte mit gesundheits- oder krankheitsbezogenen Angaben zu bewerben.

Das Erstgericht gab der Klage statt. Das Berufungsgericht bestätigte das Verbot zu den gesundheits- und krankheitsbezogenen Angaben, wies aber das die Bewerbung als Medizinprodukt betreffende Begehren ab, weil die Beklagte ihre Produkte nach dem für das Publikum vermittelten Eindruck nicht als Medizinprodukte bewerbe.

Der Oberste Gerichtshof bestätigte die Entscheidung des Berufungsgerichts.

Medizinprodukte nach dem Medizinproduktegesetz sind keine Arzneimittel. Erfüllt ein Produkt sowohl die Definition des Arzneimittels nach dem Arzneimittelgesetz als auch die Definition eines in einem anderen Gesetz geregelten Produkts, so sind auf dieses Produkt ausschließlich die Bestimmungen des Arzneimittelgesetzes anzuwenden (Vorrangregelung). Dem entspricht auch eine Bestimmung des Medizinproduktegesetzes, wonach dieses nicht für Arzneimittel gilt. Die Entscheidung darüber, ob ein Produkt unter das Arzneimittelrecht oder das Medizinproduktegesetz fällt, erfolgt insbesondere aufgrund der hauptsächlichen Wirkung des Produkts. Zu prüfen war daher, ob den Produkten der Beklagten eine pharmakologische, immunologische oder metabolische Wirkung zugeschrieben wird. Eine pharmakologische Wirkung liegt nach der europäischen Rechtsprechung dann vor, wenn irgendeine Art von unmittelbarer oder mittelbarer Wechselwirkung zwischen den Molekülen des in Frage stehenden Wirkstoffs und einem zellulären Bestandteil des menschlichen Körpers erfolgt. Eine solche Wechselwirkung besteht schon dann, wenn das Produkt eine Einwirkung anderer Stoffe auf die Körperzellen verhindert. Die Produkte der Beklagten sollen nach ihrer Werbung Schadstoffe im menschlichen Körper binden und damit die Einwirkung auf die Körperzellen verhindern, also im erläuterten Sinn pharmakologisch wirken. Die Produkte werden daher wie Arzneimittel beworben, sind folglich als solche zu beurteilen und unterliegen nicht den Vorschriften für Medizinprodukte. Auf Verstöße gegen das Medizinproduktegesetz gestützte Unterlassungsbegehren müssen daher scheitern, stattzugeben ist aber den auf das Arzneimittelrecht gestützten Begehren.

OGH | 4 Ob 190/17w

(obiger Text entstammt teilweise oder gänzlich aus der vom OGH veröffentlichten Entscheidungs-Kurzfassung)

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