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26. Mai. 2011

Konsumentenschutz - Gefahr für Österreichs Schiedsgerichtsbarkeit

Die Anwendung des Konsumentenschutzes im Schiedsrecht schreckt ausländische Ver-tragsgestalter ab "Österreich als Schiedsort zu vereinbaren ist eine Sorgfaltsverletzung des Vertragserrichters. Der österreichische Verbraucherschutz gefährdet die Wirksamkeit von Schiedsvereinbarungen." Diese für Österreich vernichtenden Worte sprach einer der international angesehensten Schiedsrichter vor der heurigen Jahreskonferenz der Inter-Pacific Bar Association (IPBA) in Kioto. Er sei schon zweimal Vorsitzender eines österreichischen Schiedsgerichts gewesen, das sich für unzuständig erklärt hat, weil die Schiedsvereinbarung wegen des österreichischen Verbraucherschutzes unwirksam war, berichtete der Vortragende weiter.
Nach § 617 Zivilprozessordnung (ZPO) sind Schiedsvereinbarungen zwischen einem Unternehmer und einem Verbraucher, die die Abwicklung künftiger Streitigkeiten regeln - was ja der Zweck jeder Schiedsklausel ist - immer unwirksam. Selbst nach dem Entstehen einer Streitigkeit ist die Wirksamkeit einer Schiedsvereinbarung an zahlreiche komplizierte Auflagen gebunden. Als Verbraucher gelten in Österreich auch natürliche Personen und Privatstiftungen, die etwa als Investoren, als Franchisenehmer bei Abschluss des Franchisevertrags oder als Teilhaber an einer GmbH oder Aktiengesellschaft auftreten.

Starke Konkurrenz
Für Österreich als Schiedsstandort wäre es am Besten, § 617 ZPO ersatzlos zu streichen. Auch für den "echten" österreichischen Konsumenten müssen Schiedsvereinbarungen nicht unbedingt etwas Schlechtes sein. Ein Konsument kann etwa einen amerikanischen oder chinesischen Vertragspartner zwar in Österreich verklagen, das erstrittene Urteil aber mangels Vollstreckungsübereinkommen weder in den USA noch in China durchsetzen. Der Konsument wäre daher gezwungen, in den USA oder China einen Prozess zu führen. Anders bei der Vereinbarung eines Schiedsgerichts: Dann könnte das Schiedsurteil auch in den USA oder China vollstreckt werden, weil beide Staaten ebenso wie Österreich dem New Yorker Übereinkommen über Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Schiedssprüche beigetreten sind.
 Weiters sollten - wie auch in Deutschland - Privatstiftungen, gesellschaftsrechtliche Bereiche sowie Verträge bei Antritt einer unternehmerischen Tätigkeit generell vom Anwendungsbereich des Konsumentenschutzes ausgeschlossen sein. Mit den übrigen "echten" Konsumenten müssen Schiedsvereinbarungen ohnehin nach § 6 Konsumen-tenschutzgesetz im Einzelnen ausgehandelt werden, sodass sie auch bei Wegfall von § 617 ZPO immer unwirksam sind, wenn sie in Formularen oder Allgemeinen Geschäftsbedingungen versteckt werden.
Selbst wenn es die Absicht des Gesetzgebers bleiben sollte, der Käuferin einer Bluse oder dem Besteller einer Kiste Wein auch entgegen einer ausdrücklichen Vereinbarung zu ersparen, sich bei Reklamationen an den Schiedsgerichtshof der Internationalen Handelskammer in Paris wenden zu müssen, wäre zumindest die folgende legistische Notmaßnahme zu überlegen: § 617 ZPO sollte nur auf Verträge mit einem Erfüllungsinteresse von etwa maximal 10.000 Euro anwendbar sein. Schiedsverfahren sind ja nicht immer etwas Schlechtes, sondern nur bei Angelegenheiten von geringerem Wert viel teurer als Gerichtsverfahren und daher untunlich.
Jedenfalls ist zu hoffen, dass der Gesetzgeber den Ausschluss der Schiedsgerichtsbarkeit für Konsumenten rasch aufhebt oder zumindest wirksam entschärft. Ansonsten ist zu erwarten, dass die Bedeutung Österreichs als internationaler Schiedsort in den nächsten Jahren dramatisch schwindet.

Stefan Müller, Rechtsanwalt

Kategorien: Sonstiges

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