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6. Jul. 2020

Kein Abschleppen auf eigene Faust

Vor dem Abschleppen eines widerrechtlich, aber nicht behindernd abgestellten Fahrzeugs muss aus der Zulassungsevidenz der Zulassungsbesitzer erhoben werden, um diesem die Möglichkeit zu geben, das Fahrzeug selbst zu entfernen.

Frau G ist Mieterin eines Freiparkplatzes an einer Nebenfahrbahn in Innsbruck. Verkehrszeichen und Hinweistafeln stellen klar, dass es sich um Privatgrund (Kunden‑/Lieferantenparkplätze) handelt und dass widerrechtlich abgestellte Fahrzeuge kostenpflichtig abgeschleppt werden.

Am 24. oder 25. 11. 2015 wurde auf diesem Privatparkplatz ohne Zustimmung der Mieterin ein auf die Beklagte M zugelassener PKW abgestellt. Dadurch konnte ein Bekannter der Mieterin, der zur Nutzung des Parkplatzes berechtigt war, diesen nicht nutzen, obwohl er ihn benötigte. Er musste sein Fahrzeug kostenpflichtig in der Kurzparkzone abstellen, wobei er auch Strafzettel wegen Parkzeitüberschreitung erhielt.

Der Bekannte der Mieterin brachte auf dem Fahrzeug einen Zettel mit dem Hinweis auf das Parkverbot und die Telefonnummern der Mieterin und ihres Bekannten mit dem Ersuchen an, diese anzurufen. Es meldete sich jedoch niemand. Die zwei Tage später verständigte Polizei wies darauf hin, dass sie für einen Privatparkplatz nicht zuständig sei.

Nachdem weitere Versuche, den Besitzer bzw Halter des Fahrzeugs durch Anfragen in der Nachbarschaft gescheitert waren, beauftragte die Mieterin des Parkplatzes ein Abschleppunternehmen (die nunmehrige Klägerin), das Fahrzeug abzuschleppen. Am Samstag, 28. 11. 2015 um etwa 10:00 Uhr wurde der PKW abgeschleppt und auf dem Firmengelände der Klägerin abgestellt, wo es sich nach wie vor befindet. Eine Abschleppung durch die Klägerin kostet grundsätzlich 300 EUR, zusätzlich wurden 18 EUR für die Ladungssicherung und 60 EUR für die außerhalb der Bürozeiten durchgeführte Abschleppung verrechnet. Die Standgebühren der Klägerin betragen 24 EUR täglich.

Die Mieterin des Parkplatzes trat ihre Schadenersatzansprüche gegen den Lenker (die Lenker) des abgeschleppten Fahrzeugs mit Zessionsvereinbarung vom 28. 11. 2015 zahlungshalber an die Klägerin ab. Spätere Schreiben an die Beklagte wurden mit dem Vermerk „verzogen“ an die Klägerin retourniert. Eine Auskunft beim Zentralen Melderegister ergab keinen aktuellen Wohnsitz der Beklagten. Laut einer Kurzauskunft eines Inkasso‑ und Informationsbüros war die Beklagte „untergetaucht“.

Der OGH bestätigte die Entscheidungen der Vorinstanzen. Er teilte die Rechtsansicht, dass die durch die Mieterin veranlasste Abschleppung des Fahrzeugs unangemessen und daher unerlaubte Selbsthilfe war. Aus dem Sachverhalt ergeben sich keine Anhaltspunkte, dass die Mieterin des Parkplatzes bis zum 28. 11. 2015 davon ausgehen konnte, dass der Lenker und/oder Zulassungsbesitzer des unberechtigt abgestellten Fahrzeugs nicht erreichbar, sondern „untergetaucht“ sei. Vor dem Abschleppen hätte die Mieterin des Parkplatzes aus der Zulassungsevidenz den Zulassungsbesitzer erheben lassen müssen, um diesem die Möglichkeit zu geben, das Fahrzeug selbst zu entfernen.

OGH | 10 Ob 34/17y | 20.12.2017

(obiger Text entstammt teilweise oder gänzlich aus der vom OGH veröffentlichten Entscheidungs-Kurzfassung)

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