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10. Mai. 2021

Informationspflicht (Rechtsbelehrung) gemäß StPO in Muttersprache

Gemäß Art 6 Abs 3 lit a MRK hat jeder Angeklagte das Recht, in möglichst kurzer Frist in einer für ihn verständlichen Sprache in allen Einzelheiten über Art und Grund der gegen ihn erhobenen Beschuldigung in Kenntnis gesetzt zu werden. Diese verfassungsrechtliche Vorgabe wird in § 6 Abs 2 StPO als strafprozessualer Grundsatz hervorgehoben sowie in §§ 49 Z 1, 50 und 164 Abs 1 erster Satz StPO inhaltlich konkretisiert und ergänzt.

Die Erstinformation gemäß § 50 Abs 1 StPO kann mündlich oder schriftlich erteilt werden. Besondere Anforderungen an die Art und Weise der Unterrichtung stellt Art 6 Abs 3 lit a MRK nicht.

Mag auch grundsätzlich die bloße Möglichkeit der Akteneinsicht als „Unterrichtung über die Anklage“ nicht ausreichen, legt die Erneuerungswerberin dennoch nicht dar, weshalb in concreto eine Grundrechtsverletzung vorliegen sollte.

Die Staatsanwaltschaft hat nämlich dem Informationsbegehren in der vom belangten Verband gewünschten Form entsprochen, wodurch dieser – wie aus dem Erneuerungsvorbringen ersichtlich – ohne weiteres tatsächliche und rechtliche (Verteidigungs‑)Überlegungen zum gegen ihn bestehenden Tatverdacht anstellen konnte.

Erfolgreiche Geltendmachung eines Verstoßes gegen Art 6 Abs 3 lit a MRK in einem nicht auf ein Erkenntnis des EGMR gestützten Erneuerungsantrag setzt überdies voraus, dass der Erneuerungswerber erklärt, weshalb die ihm (unzureichend) erteilte Information eine sinnvolle Verteidigung nicht ermöglichte. Die vom belangten Verband bloß allgemein aufgestellte Behauptung, an der Formulierung eines Antrags auf Einstellung (§ 108 StPO) gehindert zu sein, stellt ebensowenig einen konkreten Bezug zur angefochtenen Entscheidung her wie der spekulative Rekurs auf § 17 StPO, Art 54 SDÜ, Art 50 GRC und Art 4 7. ZPMRK.

Ob die mitgeteilten Umstände die vorgenommene rechtliche Qualifikation zu tragen vermögen, ist unter dem Aspekt des Art 6 Abs 3 lit a MRK unerheblich. Das Gesetz kennt keinen Anspruch, an den (internen) „Überlegungen“ der Anklagebehörde bei der Prüfung eines angezeigten Sachverhalts teilzuhaben. Die Staatsanwaltschaft hat zu informieren, nicht aber die Verfahrensführung zu rechtfertigen.

OGH | 11 Os 128/18k 

(obiger Text entstammt teilweise oder gänzlich aus der vom OGH veröffentlichten Entscheidungs-Kurzfassung)

Kategorien: Sonstiges

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