Bei einem Badeunfall zwischen zwei Jugendlichen kann auch der unmündige Schädiger haften, wenn den Eltern keine Verletzung der Aufsichtspflicht anzulasten ist und das beiderseitige Verhalten und das Vorliegen einer Haftpflichtversicherung für einen Schadensausgleich sprechen.
Der 11-jährige Kläger und der 13-jährige Beklage besuchten ein Strandbad an einem See mit einem Sprungturm. Die Absprungplattformen befanden sich in 3,5 und in 10 Meter Höhe; der Bereich in 13 Meter Höhe war durch ein Geländer abgesperrt. Der Sprungturm war behördlich „gesperrt“; dennoch wurde er im August 2009 von der Betreiberin des Strandbads eröffnet. Der Beklagte, der so wie andere Jugendliche und auch der Kläger immer wieder den Sprungturm benützte, traf nach einem Sprung aus 13 Meter Höhe auf den im Wasser schwimmenden Kläger, der schwere Verletzungen mit Dauerfolgen erlitt.
Der Kläger begehrte vom unmündigen Beklagten Schmerzengeld in Höhe von EUR 70.000,–. Von einer Verletzung elterlicher Aufsichtspflichten wurde nicht ausgegangen.
Die Vorinstanzen gingen vom Alleinverschulden des Beklagten aus und stellten dessen Haftung für alle Schäden des Klägers bis zur Höhe der Versicherungssumme der Privathaftlichtversicherung fest; für die darüber hinausgehenden Schäden nahmen sie einen Abzug aus Billigkeit im Ausmaß von einem Drittel vor.
Der Oberste Gerichtshof billigte diese Entscheidung. Er hielt fest, dass die den Eltern zukommende Aufsichtspflicht nicht durch den Kauf einer Eintrittskarte auf die Badeanstalt übertragen wird. Nach Billigkeitserwägungen kann auch einen deliktsunfähigen (unmündigen) Schädiger eine Haftung treffen. Eine solche Haftung des Unmündigen ist nicht subsidiär zur möglichen Haftung eines dritten Schädigers und daher nicht schon deshalb ausgeschlossen, weil möglicherweise auch die Badbetreiberin des Strandbads dem Kläger haftet. Bei der Festlegung des Ausmaßes des Schadenersatzes ist auf das Vorliegen einer Haftpflichtversicherung auf Seiten des unmündigen Schädigers, auf sein Verschulden und auch auf das Verhalten des Geschädigten Rücksicht zu nehmen.
OGH | 6 Ob 214/12g