Die einer Patientin vom Radiologen anlässlich der „Erstdiagnose“ erteilte unrichtige Empfehlung, mit der ihr suggeriert wurde, es bestehe aktuell kein weiterer Handlungsbedarf, muss (aktiv) widerrufen und richtiggestellt werden, wenn sich bei der Auswertung der Mammographieuntersuchung – anders als nach dem Ratschlag, sie solle „das“ in Zukunft beobachten – die dringende Notwendigkeit einer weiteren Abklärung ergibt.
Kann der Gynäkologe, nachdem er den Befund des Radiologen gelesen hat, diesen dringenden Bedarf nach weiterer Abklärung (durch eine über die bisherige Überweisung hinausgehende radiologische Untersuchung mittels Mamma-MR) erkennen, muss er seine Patientin, die sich wegen des verdächtigen Knotens primär an ihn gewendet hatte, von sich aus darüber aufklären.
Die während des Prozesses an den Folgen der Krebserkrankung verstorbene Mutter der Klägerinnen hatte sich wegen eines von ihr entdeckten Knotens in ihrer rechten Brust zu ihrem niedergelassenen Gynäkologen (dem Erstbeklagten) begeben. Dieser überwies sie – ohne Aufklärung über weitere mögliche Schritte (vor allem in Hinsicht auf die an diese Untersuchung anschließende Vorgangsweise) – an das Röntgeninstitut des Zweitbeklagten. Dort wurde entsprechend der Überweisung eine Sonographie und danach eine Mammographie durchgeführt. Im Zuge der Mammasonographie äußerte der Radiologe, dass vermutlich ein gutartiges Fibroadenom vorliege, es sehe alles gut aus, sie solle „das“ in Zukunft beobachten. Nach Durchführung der Mammographie ergab sich aber die Notwendigkeit einer weiteren Untersuchung, die auch im Befund empfohlen wurde („Ich würde doch zu einer ergänzenden Mamma MR raten“). Der Gynäkologe las den ihm vom Radiologen auf elektronischem Weg übermittelten Befund durch; beide Ärzte informierten die Patientin über den Inhalt dieses Befunds aber nicht. Die Patientin, die in der Ordination des Zweitbeklagten angegeben hatte, der Befund solle dem Erstbeklagten übermittelt werden, und der nach der Untersuchung weder CD noch Befund ausgehändigt, sondern bloß mitgeteilt worden war, „dass das alles sei und sie nach Hause gehen könne“, fragte wegen der Untersuchungsergebnisse nicht mehr nach. Sie ging aufgrund der Äußerungen der Ärzte davon aus, dass nichts Bedenkliches gefunden wurde und sie bei einem entsprechenden Befund ohnehin von ihnen informiert würde. Von ihrer Krebserkrankung erfuhr die Patientin daher erst Monate später.
Das Erstgericht sprach den Kindern der mittlerweile verstorbenen Patientin als deren Erbinnen Schmerzengeld zu und stellte die Haftung der beiden Beklagten wegen Behandlungs- und Aufklärungsfehlern fest.
Das Berufungsgericht bestätigte dieses Urteil.
Der Oberste Gerichtshof wies die Rechtsmittel der Beklagten zurück. Er konnte auf seine Rechtsprechung zur Aufklärungspflicht des Arztes verweisen. Danach besteht die Pflicht, den Patienten über mögliche Gefahren und schädliche Folgen einer Behandlung oder ihrer Unterlassung zu unterrichten. Wenn der Arzt erkennt, dass bestimmte ärztliche Maßnahmen erforderlich sind, dann hat er den Patienten auf deren Notwendigkeit und die Risken ihrer Unterlassung hinzuweisen. Der Gynäkologe konnte den im Befund enthaltene Ratschlag des Radiologen über die Notwendigkeit einer weiteren Untersuchung seiner Patientin nicht so verstehen, dass diese durch den Radiologen bereits in die Wege geleitet worden wäre. Der Radiologe stellte seine ihr gegenüber abgegebene Empfehlung (des bloßen Beobachtens „in Zukunft“ als ausreichend) gegenüber der Patientin nicht richtig. Die Entscheidung des Berufungsgerichts, in der beiden (passiv bleibenden) Ärzten angelastet wurde, der Patientin nicht (von sich aus) zu der weiteren, dringend notwendigen Untersuchung durch eine MR geraten zu haben, ist damit richtig.
OGH | 1 Ob 159/21w
(obiger Text entstammt teilweise oder gänzlich aus der vom OGH veröffentlichten Entscheidungs-Kurzfassung - bisweilen mit Hervorhebungen bzw. Kürzungen durch uns)