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4. Okt. 2011

„Ehrenamtliche“ besser geschützt

Eine Novelle zum Vereinsgesetz will die Haftung für unbezahlte Vereinsfunktionäre entschärfen
Sie sollen für leichte Fahrlässigkeit nicht mehr zur Kasse gebeten werden. Der Entwurf lässt allerdings viele Fragen offen.
Das Justizministerium hat den Entwurf einer Novelle zum Vereinsgesetz vorgelegt, mit dem die Haftung für ehrenamtliche Vereinsfunktionäre gemildert werden soll. Wie die Erfahrung zeigt, stellt das Thema Haftung oft eine Hürde für die Übernahme eines Vereinsamtes dar. Dieses Damoklesschwert will die Novelle damit entschärfen, dass ehrenamtliche Organwalter (auch Rechnungsprüfer) dem Verein gegenüber nur mehr für Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit, nicht aber für leichte Fahrlässigkeit haften sollen. Wird der Funktionär von einem Vereinsgläubiger direkt in Anspruch genommen, soll er in Fällen der leichten Fahrlässigkeit einen Regressanspruch gegen den Verein haben. Für bezahlte Vereinsangestellte soll all dies nicht gelten.
Zutreffend konstatieren die Erläuterungen zum Entwurf, dass die geltende Haftungsregelung ("Bei der Beurteilung des Sorgfaltsmaßstabs ist eine Unentgeltlichkeit der Tätigkeit zu berücksichtigen.") keine Klarheit darüber schafft, in welchem Ausmaß die Unentgeltlichkeit der Tätigkeit eines Organwalters zu berücksichtigen ist. Es ist allerdings fraglich, ob mit der nun vorliegenden Textierung mehr Klarheit geschaffen wird.
In Österreich gibt es rund 120.000 Vereine, die, was Mitgliederzahl, Tätigkeit und Geschäftsumfang betrifft, extrem unterschiedlichen Charakters sind. Es ist unvorstellbar, dass für all diese Vereine ein und derselbe Sorgfaltsmaßstab gelten sollte. Ist also dem, der sich überlegt, ein Vereinsamt zu übernehmen, wirklich damit geholfen, wenn ihm erklärt wird, er würde nicht für leichte Fahrlässigkeit haften? Weiß er, wofür er dann haftet?

Eine bessere Alternative
Der Entwurf erklärt nicht, warum er nicht - was wohl auch aus Gleichheitserwägungen nähergelegen wäre - das Dienstnehmerhaftpflichtgesetz für ehrenamtliche Organwalter in Vereinen für anwendbar erklärt. Durch das dort vorgesehene richterliche Mäßigungsrecht würde einerseits ermöglicht, in der Rechtsanwendung auf die konkreten Umstände des Einzelfalls einzugehen - und zwar wesentlich besser, als dies durch die schematische Differenzierung leichte/grobe Fahrlässigkeit möglich ist -, und andererseits könnte sich die Rechtspraxis auf eine umfangreiche und gefestigte Judikatur stützen.
Und ist diese Regelung nicht auch aus einem anderen Grund gleichheitswidrig? Ein großer Teil der Vereinsarbeit wird von Personen geleistet, die nicht formalen Organwalterstatus haben. Diese werden nicht privilegiert, obwohl auch sie dem Verein wie auch unmittelbar Dritten gegenüber haftbar werden können. Diese armen Kerle sollen weiterhin voll haften?
Der Entwurf sieht vor, dass eine von einem Verein abgeschlossene Haftpflichtversicherung auch den Regressanspruch eines Organwalters oder Rechnungsprüfers gegen den Verein zu decken habe. Welchen Charakter diese Vorschrift haben soll, ist völlig unklar. Soll das zwingendes Recht sein? Wer ist Adressat dieser Norm? Der Verein? Die Haftpflichtversicherung? Hat diese Vorschrift überhaupt normativen Charakter, oder ist sie bloß ein guter Ratschlag? Und was soll sein, wenn eine Haftpflichtversicherung diesen Anspruch nicht deckt?
Vereine sind ja überhaupt nicht verpflichtet, Haftpflichtversicherungen abzuschließen. Ist dann die Alternative nur, entweder gar keine Haftpflichtversicherung zu haben oder eine, die das erfüllt, was der Entwurf gern von ihr hätte? Ob das im Interesse der Vereine wäre, ist mehr als fraglich.
Interessant wäre aber auch all das, was mit dieser Novelle nicht geregelt wird. Warum wird das Gesetz - das sich prinzipiell bewährt hat, aber doch einige Fragen offen ließ - nur in einem einzigen Punkt ergänzt? Es würde nichts dagegen sprechen, die Gelegenheit wahrzunehmen, auch einige andere Nachbesserungen vorzunehmen.
Zum Beispiel: Unklar bleibt, wessen Vertrauen in das Zentrale Vereinsregister geschützt wird. Die Minderheitsrechte leiden an der unzureichenden Umsetzung durch den Gesetzgeber - so schön es ist, dass es im Verein Minderheitsrechte gibt, so hilfreich wäre es, wenn der Gesetzgeber auch an deren praktische Durchsetzung gedacht hätte. Die Informationspflicht des Leitungsorgans, um die sich so mancher Vereinsvorstand trotz gesetzlicher Regelung gern herumschwindelt, leidet an Unterdeterminierung, wie auch die Möglichkeiten der Mitglieder, ihre Kontrollrechte effektiv durchzusetzen. All dies wäre einen weiteren gesetzgeberischen Anlauf durchaus wert.

Dr. Stefan Müller



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Rechtsanwälte
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