Ein sehr ungleiches Paar hatte seit
Jahrzehnten zusammengelebt. Er war kommunikativ, dominant, bestimmen. Sie
introvertiert, ängstlich, unterwürfig.
Obwohl das Paar für Freunde und Verwandte eine
perfekte Beziehung führte, war die Frau alles andere als glücklich. Sie litt an
Depressionen, dachte an Selbstmord. Dank einer Therapie wurde sie aber
selbstbewusster. Mit Unterstützung ihres Mannes fing sie an, als Masseurin zu
arbeiten. Weniger erfreut war er, wenn sie selten, aber doch kleinere Einkäufe
für sich tätigte: Sie versteckte diese bei ihrer Schwester.
Die Frau begab sich in Therapie, wurde dann
etwas selbstbewusster und berufstätig. Dabei verliebte sie sich und begehrte die
Scheidung. Im erstinstanzlichen Verfahren hat nun das Gericht die Frau alleine
für die Zerrüttung der Ehe verantwortlich gemacht, weil sie eine Beziehung
eingegangen war. Die möglichen Verfehlungen des Mannes, hätten mehr als 6
Monate vor der Zerrüttung stattgefunden und seien daher nicht zu
berücksichtigen.
Das sah der OGH in zweifacher Hinsicht anders:
Einerseits seien sehr wohl auch frühere Verhaltensweisen in die Gesamtabwägung
einzubeziehen; andererseits könne nicht behauptet werden, dass der Mann im
Halbjahr vor der Zerrüttung keine Eheverfehlungen begangen habe: Vielmehr habe
er die Versuche der Frau, „ihre unterwürfige Disposition [...] in Richtung
einer – gesetzlich verankerten – partnerschaftlichen Ausrichtung einer Ehe zu
verändern, nicht akzeptiert“ (2 Ob 107/13v). Auch das sonstige extrem dominante
Verhalten, das selbst die körperliche Integrität der Frau hintangestellt habe,
müsse berücksichtigt werden.
Die Frau ist also zwar schuldig, weil sie eine
ehewidrige Beziehung unterhielt und abrupt auf eine Trennung drängte; doch der
Mann ist gleichermaßen schuld. Die Frau kann auf Unterhalt nach Billigkeit
hoffen: in der Regel zehn bis 15 Prozent des Nettoeinkommens des Mannes.