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28. Jun. 2011

EHEC - Warnung, Haftung?

Selbst wenn die Gefährlichkeit bestimmter Produkte noch nicht restlos gesichert ist, können vorläufige Schutzmaßnahmen getroffen werden. Wer Warnungen nur weiterleitet, haftet in der Regel nicht.

Ende Mai teilte die deutsche Lebensmittelbehörde mit, dass Gurken aus Spanien mit EHEC-Bakterien belastet seien, woraufhin auch der österreichische Gesundheitsminister vor dem Verzehr betroffener Produkte warnte. Die spanische Regierung erwägt Schadenersatzforderungen gegen Deutschland. Auf welche Rechtsgrundlage aber könnten sich derartige Haftungsansprüche stützen?

Schnellwarnsystem über Brüssel
Dazu ist zuerst das auf Gemeinschaftsebene eingerichtete Schnellwarnsystem „RASFF“ (Rapid Alert System for Food and Feed) zu betrachten, das von der Kommission verwaltet wird. Die Mitgliedstaaten haben dabei die Pflicht, Informationen über ernsthafte Risiken von Lebensmitteln für die menschliche Gesundheit über das RASFF an die Kommission zu melden, die diese – allenfalls nach Ergänzung durch die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) und vorerst anonymisiert – an die Mitglieder des RASFF weiterleitet.

Das Risikomanagement in Umsetzung solcher Warnmeldungen obliegt wiederum den Mitgliedstaaten, die im Falle der Gemeingefährdung unter anderem auch die Öffentlichkeit zu informieren haben. Der Kommission kommt im Wesentlichen die Funktion einer Kommunikationszentrale zu, die Meldungen im RASFF weiterleitet, selbst allerdings keine Entscheidungen mit Außenwirkung trifft.  Auf Unionsebene bleibt allenfalls eine Haftung der EFSA, sollten diese Warnmeldungen in technischer und wissenschaftlicher Sicht fehlerhaft gewesen sein.

Umsetzung durch Mitgliedstaaten
Näher liegt indes eine Haftung des Empfangsstaates einer RASFF-Warnmeldung, obliegt es doch diesem, die Öffentlichkeit über die Warnmeldung zu informieren und allenfalls auch weitere Maßnahmen wie etwa Rückrufaktionen zu veranlassen. Die Haftung richtet sich dabei in erster Linie nach dem jeweiligen Staatshaftungsrecht, wobei äußerstenfalls aber auch ein Eingriff in die Warenverkehrsfreiheit und gemeinschaftsrechtliche Staatshaftungsansprüche nicht auszuschließen sind. In beiden Fällen interessiert aber vor allem der anzulegende Sorgfaltsmaßstab: Da der Empfangsstaat die Meldung wegen der gebotenen Eile zumeist nicht selbst überprüfen kann, wird er sich bei der Veröffentlichung vorerst auf die Richtigkeit der RASFF-Meldung verlassen müssen.
In diesem Sinne hatte auch schon der OGH eine Amtshaftungsklage gegen die Republik im Zusammenhang mit der unzutreffenden Warnung vor vermeintlich hormonbelastetem Rindfleisch (siehe unten) abgewiesen: Die Information der Öffentlichkeit sei angesichts der konkreten Situation zumindest vertretbar gewesen, und die österreichischen Behörden hätten grundsätzlich auch von der Richtigkeit der Warnmeldungen anderer Mitgliedstaaten ausgehen dürfen (1 Ob 155/02 d). Sofern daher dem Empfangsstaat nicht selbst Fehler bei der Information der Öffentlichkeit über Warnmeldungen anzulasten sind (z.B. Einbeziehung unzutreffender Produktgruppen), wird auch insofern ein Staatshaftungsanspruch schwer durchsetzbar sein.

Beim Urheber ansetzen?
Bleibt noch die mögliche Haftung des Ursprungsstaats als Urheber der Falschmeldung. Sie wird dann gegeben sein, wenn der Ursprungsstaat die Grundlagen der Warnmitteilung gemessen am Stand der Wissenschaft unzureichend oder fehlerhaft ermittelt. Aber auch das wird durch das „Vorsorgeprinzip“ relativiert, wonach selbst bei noch nicht abschließend gesichertem Erkenntnisstand vorläufige Risikomanagementmaßnahmen getroffen werden können, sofern diese verhältnismäßig sind und den Handel nicht unangemessen beeinträchtigen (Art 7 Basis-VO). Letztlich wird daher auch hier eine Haftung dann ausscheiden, wenn zumindest von einem Gesundheitsrisiko ausgegangen werden musste, was wiederum den Haftungsbereich auf beinahe offenkundige Fehlmeldungen einengt.

Stefan Müller, Rechtsanwalt

Kategorien: Sonstiges

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