Der für die Ersitzung erforderliche gute Glaube, also die Redlichkeit des Besitzers, fällt nicht nur bei nachträglicher Kenntnis der Unrechtmäßigkeit, sondern auch bei Kenntnis von Umständen, die zu Zweifeln an der Rechtmäßigkeit seines Besitzes Anlass geben, weg.
Der Oberste Gerichtshof gelangte in einem Streit um die Ersitzung eines Wegerechts zu folgendem Ergebnis:
Ein Wegerecht kann nur dann ersessen werden, wenn der Wegbenutzer während der gesamten Ersitzungszeit redlich ist, also wenn er glauben kann, dass ihm die Ausübung des Rechts zusteht. Eine vom Eigentümer des Wegs angebrachte Hinweistafel mit der (oder einer inhaltsgleichen) Aufschrift „Durchgang bis auf Widerruf gestattet“ ermöglicht zwar die gestattete Nutzung des Wegs, begründet aber noch kein Recht dazu.
Die auf Ersitzung der Wegeservitut klagenden Wegbenutzer konnten hier durch diese am Beginn und Ende des Gässchens angebrachten Hinweistafeln unschwer erkennen, dass sie – abgesehen von der durch die beklagte Eigentümerin des Gässchens eingeräumten Befugnis – kein Recht hatten, den Weg zu benutzen. Jedenfalls mussten ihnen aus der Sicht eines durchschnittlichen Verkehrsteilnehmers zumindest Zweifel darüber kommen, ob sie dennoch berechtigt wären, das Gässchen zu benutzen, um zum Seiteneingang ihres Hauses zu gelangen. Besondere Gründe, die die Benutzer des Wegs zur Annahme veranlassen hätten dürfen, dass der Eigentümer des Wegs mit den Hinweistafeln nur den (vollständigen) Durchgang des Gässchens, nicht aber (auch) den bloßen Zugang bis zum Seiteneingang des Hauses der Kläger bis auf Widerruf gestatten wollte, sind im Verfahren nicht hervorgekommen.
OGH 9 Ob 57/15w
(obiger Text teilweise oder gänzlich aus der vom OGH veröffentlichten Kurzfassung)