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12. Jan. 2023

Die Sicherungspflicht des Pistenbetreibers umfasst nur atypische Gefahren

Der elfjährige Kläger fuhr auf einer von der beklagten Pistenhalterin betriebenen Schipiste im Bereich einer „Wellenbahn“. Beim Verlassen dieser Sonderfläche stieß er auf der Publikumspiste mit einem anderen Schifahrer zusammen und verletzte sich dabei schwer.

Die zunächst gegen den Unfallgegner gerichtete Schadenersatzklage wurde wegen Alleinverschuldens des Klägers abgewiesen. Nunmehr begehrt der Kläger von der Pistenhalterin Schadenersatz aus dem Schiunfall. Die Beklagte wäre verpflichtet gewesen, das Ende der Wellenbahn von der übrigen Piste abzugrenzen und die Sonderfläche nach der letzten Welle weiter hangabwärts zu ziehen und damit einen Auslauf für deren Benutzer zu ermöglichen.

Die Beklagte bestritt einen Verstoß gegen die Pistensicherungspflicht.

Das Erstgericht wies die Klage ab. Das Ende der Wellenbahn sei zu erkennen gewesen und die Kollision wäre durch eine angepasste Fahrweise des Klägers vermeidbar gewesen.

Das Berufungsgericht gab dem Begehren dem Grunde nach zur Hälfte statt. Der Pistenhalter habe die Sonderfläche von der allgemeinen Piste so abzugrenzen, dass ein angemessener Sturzraum zur Verfügung stehe. Die Beklagte habe nicht ausreichend sichergestellt, dass ein Ausfahren aus der Wellenbahn bei Überfahren der Wellen mit entsprechender Geschwindigkeit ohne Gefährdung der Benützer des allgemeinen Pistenbereichs gewährleistet sei. Dem Kläger sei aber ein Mitverschulden von 50 % anzulasten, weil er gegen die ihm bekannte FIS-Regel 2 (Fahren auf Sicht) und gegen die FIS-Regel 5 (Nachrang bei Einfahren in die allgemeine Piste) verstoßen habe.

Der Oberste Gerichtshof gab der Revision der Beklagten Folge und stellte das klageabweisende Urteil des Erstgerichts wieder her.

Während der gesamten Fahrtstrecke der Wellenbahn bestand keine Sichtbehinderung zur Publikumspiste, etwa fünf Meter vor dem Ende der Wellenbahn stand ein Stocknetz mit einem Transparent mit einem Straßenverkehrssymbol „Achtung“ und dem Schriftzug „Slow“, das für herannahende Schifahrer gut erkennbar war. Die Wellenbahn war weder als Rennstrecke noch als Sprunghügel ausgeschildert, die letzte Welle war zumindest zehn Meter vom Ende des Sondergeländes entfernt. Dies wäre für den Kläger (der ein sehr guter Schiläufer ist, seit seinem dritten Lebensjahr Schi fährt und Mitglied eines Skiclubs ist) ausreichend gewesen, um nach der letzten Welle abzuschwingen und sich kontrolliert in den Fluss der Publikumspiste einzuordnen. Die den Pistenhalter treffende Pflicht zur Sicherung der Piste bedeutet nicht die Verpflichtung, den Schifahrer vor jeder möglichen Gefahr zu schützen, die ihm von der Piste her droht. Nur atypische Gefahren sind zu sichern; also solche Hindernisse, die der Schifahrer nicht ohne weiters erkennen kann, und solche, die er trotz Erkennbarkeit nur schwer vermeiden kann. Eine solche atypische Gefahr lag hier nicht vor. Der Beklagten ist somit keine Verletzung von Schutzpflichten gegenüber ihrem Vertragspartner vorzuwerfen. Die Klagsansprüche bestehen daher schon dem Grunde nach nicht zu Recht.

OGH | 4 Ob 181/20a

(obiger Text entstammt teilweise oder gänzlich aus der vom OGH veröffentlichten Entscheidungs-Kurzfassung - bisweilen mit Hervorhebungen bzw. Kürzungen durch uns)

 

Kategorien: Skirecht / Sportrecht

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