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6. Mai. 2019

Auch Vetragsverfasser kann wegen Wucher anfeschten

Nützt ein Vertragspartner die Notlage und/oder den Leichtsinn des anderen aus und erlangt er durch den Vertrag einen unangemessenen Vorteil, kommt es für die Anfechtung wegen Wuchers nicht darauf an, welche Partei den Vertragsinhalt vorgeschlagen hat.

Der spätere Kläger befand sich wegen drohender Exekutionen in akuter Geldnot und bat den Beklagten, der ihm bereits früher wiederholt mit Darlehen ausgeholfen hatte, um Hilfe. Dieser lehnte zwar eine weitere Darlehensgewährung ab, war aber bereit, dem Kläger einen diesem gehörenden Liegenschaftsanteil abzukaufen. Der Kläger verlangte angesichts seines Geldbedarfs von 8.000 EUR keinen höheren Preis, obwohl das Kaufobjekt – wie sich später herausstellte – einen Wert von rund 36.000 EUR hatte; der Beklagte vermutete einen Wert von ca 20.000 EUR. Auf Wunsch des Klägers wurde zusätzlich vereinbart, dass dieser die Möglichkeit hätte, den Liegenschaftsanteil innerhalb eines Jahres um denselben Preis zurückzukaufen. Dazu kam es aber nicht.

Der Kläger begehrte daraufhin die Feststellung der Nichtigkeit des Kaufvertrags wegen Wuchers und die Rückübertragung seines Liegenschaftsanteils; hilfsweise verlangte er die Aufzahlung auf den wahren Wert wegen Verkürzung über die Hälfte.

Die Vorinstanzen wiesen das Hauptbegehren ab und verneinten eine Anfechtbarkeit wegen Wuchers mit dem Argument, der Kläger habe ja den Vertragsinhalt selbst vorgeschlagen. Hingegen wurde der Beklagte zur Zahlung von rund 30.000 EUR verurteilt, zu der er sich im Verfahren im Falle der Abweisung des Hauptbegehrens bereit erklärt hatte.

Der Oberste Gerichtshof folgte hingegen der Auffassung des Klägers und stellte die Nichtigkeit des Vertrags wegen Wuchers fest. Für den Kläger bestand zweifellos eine Zwangslage, benötigte er doch dringend einen bestimmten Geldbetrag, um exekutive Rechtsverfolgungsschritte seiner Gläubiger abzuwenden. Dass er dabei den Liegenschaftsanteil zu einem ganz erheblich unter dem Verkehrswert liegenden Kaufpreis anbot, beruhte ersichtlich auf Leichtsinn, ging doch der Kläger offenbar davon aus, er werde rechtzeitig zu ausreichenden Geldmitteln kommen, um den Anteil innerhalb der vereinbarten Frist wieder zurückkaufen zu können. Diese Situation nutzte nun der Beklagte insoweit aus, als er dem Kauf zum vorgeschlagenen minimalen Preis zustimmte. Er hat dabei die Lage des Klägers auch in verpönter Weise ausgenützt, wofür bereits Fahrlässigkeit ausreicht. Es wäre ihm ohne weiteres möglich gewesen, die gravierende Inäquivalenz der beiderseitigen Leistungen etwa dadurch zu verhindern, dass er dem Kläger lediglich einen geringeren Liegenschaftsanteil – zu einem angemessenen Preis – abgekauft hätte. Wirtschaftlich kommt die Vereinbarung der Streitteile darüber hinaus einer dinglich besicherten Darlehensgewährung nahe, bei der die Vereinbarung, dass der Sicherungsgegenstand nach Eintritt der Fälligkeit der Forderung dem Gläubiger zufällt, ungültig wäre.

 

OGH  1 Ob 141/15i
(obiger Text teilweise oder gänzlich aus der vom OGH veröffentlichten Kurzfassung)

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