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9. Mai. 2016

Arzt muss Etikett von Apotheke gemischtem Medikament immer genau lesen

Der oberste Gerichtshof legt in einer kürzlich ergangenen Entscheidung an die Sorgfaltspflicht von Ärzten neuerlich einen besonders strengen Maßstab an. Ein Arzt hatte ein Medikament längere Zeit verwendet. Zuletzt war es ihm vom Apotheker in einer anderen Zusammensetzung geliefert worden. Dies war auf dem Etikett vermerkt, der Arzt verließ sich jedoch darauf dass die Zusammensetzung die gleiche sei wie immer, er hat jetzt schon jahrelang von der gleichen Apotheke bezogen. Der OGH (vier Ob 42/16 d) sein Sorgfaltsverletzung darin, dass sich der Mediziner auf eine Zusammensetzung wie bisher verlassen hatte. Konkret ging es um folgenden Sachverhalt.

Einer Frau wurde 2014 beim HNO-Arzt die Nasenschleimhaut verätzt, weil in der als Oberflächenanästhetikum verwendeten Flüssigkeit überraschend Alkohol enthalten war. Obwohl in der Pantocain-Lösung eigentlich destilliertes Wasser sein sollte, war stattdessen die Flüssigkeit zu 96 Prozent mit Alkohol hergestellt worden. 

Seit fünf Jahren hatte der Arzt sich von der Apotheke beliefern lassen, stets kam die Pantocain-Lösung korrekt gemischt. Auf der Flasche der nun falsch gemischten Lösung stand in fett gedruckter Blockschrift mit zwei mm Höhe der Name der bestellten Arznei, also „2% PANTOCAIN-LÖSUNG“. Darunter aber befanden sich in feinerer, ca. 1,6 mm großer Schriftart Informationen, aus denen hervorging, dass es sich um eine Lösung mit Alkohol in hoher Konzentration handelte. Das Kleingedruckte las der Arzt aber nicht. Er verwendete die Lösung im Glauben, es handle sich um die richtige Mischung mit destilliertem Wasser.

Arzt: Jahrelang verwendet

Knapp 24.000 Euro forderte die verletzte Patientin an Schmerzengeld, Heilungskosten und für ihre Barauslagen. Neben dem Betreiber der Apotheke klagte sie auch den Arzt und dessen Haftpflichtversicherung. Der Arzt wandte ein, er habe sich darauf verlassen können, dass der Apotheker die Lösung seinem Rezept entsprechend liefert. So wie es seit Jahren immer gewesen war.

Eine Argumentation, der das Landesgericht Salzburg folgte. Es erklärte, dass der Mediziner sich zwar hätte vergewissern müssen, dass er das korrekte Medikament verwendete. Das habe er aber getan, zumal er auf das Wort Pantocain geachtet habe. Von einem durchschnittlichen Arzt könne man aber nicht verlangen, bei jedem regelmäßig bei der Apotheke in Auftrag gegebenen Medikament auch noch die korrekte Zusammensetzung zu überprüfen. Zumal die korrekte Rezeptur für die Pantocain-Lösung seit 2009 unverändert sei.

Das Oberlandesgericht Linz (OLG) unterstrich diese Rechtsansicht: Der Arzt habe davon ausgehen können, dass der Apotheker die Arznei so herstellte, wie vom Arzt verschrieben. Dem Mediziner könne man nicht anlasten, dass er die auf dem Etikett im Kleindruck angeführten Daten nicht gelesen habe, meinte das OLG.

Da so eine Frage aber noch nie vom Obersten Gerichtshof (OGH) geklärt worden ist, wurde die Revision an die höchste Instanz zugelassen. Und die Höchstrichter legten einen strengeren Maßstab an.

Beschriftung jedesmal zu prüfen

Der OGH verwies auf einen Paragrafen in der Apothekenbetriebsordnung, nach dem die Bestandteile der Arznei in einer deutlich lesbaren Aufschrift anzubringen sind. Diese Vorschrift bezwecke, dass der Anwender der Arznei Kenntnis von ihren Bestandteilen habe. „Die Vorschrift richtet sich daher und vor allem an jene Fachärzte, die die von ihnen verschriebene Arznei bei ihren Patienten anwenden“, erklärten die Höchstrichter.

Es bedeute „keine Überspannung des gebotenen Sorgfaltsmaßstabs, wenn der Arzt die ihm auf der Arzneiflasche zur Verfügung stehenden Informationen vor dem Einsatz der Arznei überprüft“, meinten die Richter. Der Arzt hätte durchaus einen kurzen Blick auf die Flasche werfen können, bevor er sie anwendete. Und ein Mediziner dürfe sich „gerade bei magistralen Zubereitungen nicht darauf verlassen, dass seiner Verschreibung entsprochen wurde, wenn Gegenteiliges augenfällig ist“.

Der OGH (4 Ob 42/16d) entschied, dass auch der Arzt und seine Versicherung für die Folgen der Verätzung haften. Die Unterinstanz muss nun noch klären, in welcher Höhe die Forderungen der verletzten Patientin zu Recht bestehen.

 

 

 

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