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4. Jun. 2014

Anlegerschaden: Mittelbare Irreführung ausreichend für Schadenersatz

Der Geschädigte muss seine Informationen nicht direkt aus dem Werbeprospekt bezogen haben. Es genügt zur Feststellung eines relevanten Geschäftsirrtums durchaus, wenn diese Information vom Vater des Geschädigten an diesen weitergegeben worden sind.

In der fraglichen Entscheidung (OGH 21. 8. 2013, 3 Ob 65/13z) führt der Oberste Gerichtshof zur Veranlassung des Irrtums unter anderem folgendes aus:

 „Der vorliegende Fall unterscheidet sich von den bisherigen „MEL-Entscheidungen“ (siehe va 4 Ob 65/10b) dadurch, dass die Kl die – hinsichtlich der Sicherheit der erworbenen Papiere irreführenden – Informationen nicht direkt aus dem Prospekt, sondern mittelbar durch ihren Vater bezog. In der Zusammenschau der erstgerichtlichen Feststellungen hat der Vater der Kl lediglich die Informationen aus dem Werbeprospekt der bekl P weitergegeben. Da er das vermittelte, was die Kl durch eigenständige Lektüre des Werbeprospekts erfahren hätte, nützt der Umstand, dass die Kl den Prospekt nicht selbst zu Gesicht bekommen und durchgelesen hat, der bekl P nichts. Auch in der hier gegebenen Sachverhaltsvariante geht die irreführende Information von der bekl P aus, die den relevanten Geschäftsirrtum bei der irrenden Kl veranlasst hat, auch wenn die Kl eine „Mittelsperson“ einschaltete, von der sie sich die von der bekl P stammenden Informationen – vergleichsweise wie eine aus körperlichen Gründen nicht des Lesens mächtige Person – mündlich übermitteln ließ. Die Zuhilfenahme dritter Personen ist im arbeitsteiligen Wirtschaftsleben gang und gäbe. Werbebotschaften erreichen den Adressaten häufig über Mittelsmänner. Auch in diesem Fall ist bei irreführender Werbung von einer Veranlassung des Irrtums iSd § 871 ABGB auszugehen.“

Der OGH erachtete die angefochtene Entscheidung als im Rahmen der bisherigen höchstgerichtlichen Rsp, wonach ein Irrtum wie der vorliegende als beachtlicher Geschäftsirrtum zu qualifizieren ist (vgl 4 Ob 65/10b, LN Rechtsnews 9894 vom 4. 10. 2010 = RdW 2010/762; RIS-Justiz RS0126232). Eine im Interesse der Rechtssicherheit aufzugreifende Fehlbeurteilung war für den OGH nicht zu erkennen.

Aufgrund der Irrtumsveranlassung durch die bekl P kam es auf ein allfälliges Mitverschulden (Aufklärungsverschulden) des Anlageberaters nicht mehr an (8 Ob 151/10d mwN). Im Übrigen wurde sogar festgestellt, dass auch der Berater selbst (unverschuldet) einem Irrtum (zum Thema Kapitalerhöhung) unterlegen ist.

Dr. Stefan Müller, Rechtsanwalt in Bludenz

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