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9. Feb. 2023

Vertragsaufhebung trotz geringfügigem Mangel - Interessenabwägung!

Bei der Prüfung, ob ein die Wandlung ausschließender geringfügiger Mangel vorliegt, ist eine auf den konkreten Vertrag und die Umstände des Einzelfalls bezogene objektive Abwägung der Interessen der Vertragspartner vorzunehmen. Dabei ist auch das berechtigte und nachvollziehbare Interesse des Übernehmers an der Wandlung ins Kalkül zu ziehen (umfassende Abwägung der Interessen beider Parteien).

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Der Oberste Gerichtshof stellte das Ersturteil wieder her und führte unter anderem aus:

Der Übernehmer kann Preisminderung oder Wandlung begehren, wenn der Übergeber zu Unrecht ernsthaft und endgültig die Verbesserung der mangelhaften Leistung verweigert, mag es auch aus der irrigen Ansicht geschehen, es bestehe gar keine Nacherfüllungspflicht. Der Beklagte hat in diesem Sinne die Verbesserung verweigert. Er hat dem vorprozessual mehrfach geäußerten Verbesserungswunsch des Klägers nicht entsprochen, sondern (selbst noch im Prozess) den irrigen Standpunkt eingenommen, der Sonnen- und Insektenschutz wäre mangelfrei. Somit ist der Kläger grundsätzlich berechtigt, Wandlung oder Preisminderung zu begehren.

Das dem Kläger zustehende Recht zur Wandlung des Vertrags steht unter der Voraussetzung, dass es sich nicht um einen geringfügigen Mangel handelt. Bei der Prüfung, ob ein geringfügiger Mangel vorliegt, ist eine auf den konkreten Vertrag und die Umstände des Einzelfalls bezogene objektive Abwägung der Interessen der Vertragspartner vorzunehmen. Dabei ist auch das berechtigte und nachvollziehbare Interesse des Übernehmers an der Wandlung ins Kalkül zu ziehen. Letzterem kommt im vorliegenden Fall – zumal der vorliegende Mangel jedenfalls ein schwerer ist, weil der Insektenschutz aufgrund des Spalts gegen Hautflügler nicht wirkt – entscheidendes Gewicht zu.

Dass bei Verweigerung der Verbesserung durch den Veräußerer der Erwerber die sekundären Gewährleistungsbehelfe in Anspruch nehmen kann, ist eine vom Gesetzgeber vorgegebene Wertung, die nicht unterlaufen werden darf. Es kann daher dem Kläger nicht entgegnet werden, er hätte auf Verbesserung klagen und diese nötigenfalls gegen den Beklagten exekutiv durchsetzen können. Weil der Kläger 1.571,01 EUR für die Reparatur vorstrecken müsste, kann auch nicht von einer (wirtschaftlich zumutbaren und insofern) leicht möglichen bzw für ihn unproblematischen Reparatur ausgegangen werden.

Spräche man dem Kläger das Recht zur Wandlung des Vertrags ab, so wäre er letztlich genötigt, sich auf Preisminderung zu beschränken. Damit zwänge man ihn, ein Produkt – wenngleich zu einem geringeren Preis – zu behalten, das er niemals haben wollte, nämlich einen Sonnenschutz ohne Insektenschutz..

OGH | 8 Ob 13/21a

(obiger Text entstammt teilweise oder gänzlich aus der vom OGH veröffentlichten Entscheidungs-Kurzfassung - bisweilen mit Hervorhebungen bzw. Kürzungen durch uns)

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