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19. Feb. 2014

Vergaberecht: vertrauliche Informationen und Rechtskraftwirkung

Der Verwaltungsgerichtshof hat sich in zwei jüngeren Entscheidungen zu zwei Themen geäußert, dem Schutz vertraulicher Informationen und die Geltendmachung von einer Rechtswidrigkeit einer bestandsfesten Entscheidung.

Schutz vertraulicher Informationen:

§ 23 BVergG 2006 verpflichtet sämtliche Verfahrensbeteiligte (Auftraggeber, Bewerber und Bieter) zur Geheimhaltung schutzwürdiger Angaben. Diese Bestimmung kann aber keine Grundlage dafür bieten, einem Bieter die Einsicht in verfahrensgegenständliche Urkunden, auf die sich die Behörde (hier) im Nachprüfungsverfahren in ihrer Entscheidung tragend stützen möchte, generell zu verweigern. Maßstab für die Ausnahme von der Akteneinsicht ist vielmehr § 17 Abs 3 AVG, wonach Aktenbestandteile von der Akteneinsicht ausgenommen sind, insoweit deren Einsichtnahme eine Schädigung berechtigter Interessen einer Partei oder dritter Personen oder eine Gefährdung der Aufgaben der Behörde herbeiführen oder den Zweck des Verfahrens beeinträchtigen würde. Im Rahmen der Abwägung nach § 17 Abs 3 AVG ist somit im Einzelfall zu beurteilen, inwieweit ein überwiegendes Interesse besteht, einem Bieter bestimmte Informationen vorzuenthalten, wobei gleichzeitig die effektive Rechtsverfolgung sichergestellt werden muss.

VwGH 9. 4. 2013, 2011/04/0207

Erledigt im gleichen Sinn: VwGH 9. 4. 2013, 2011/04/0223

Ausgangslage:

Die Auftraggeberin hat zum Nachprüfungsantrag der Bf in einem 23 Seiten umfassenden Schriftsatz vom 12. 8. 2011 Stellung genommen und darüber hinaus eine 27 Seiten umfassende ergänzende Stellungnahme vom 16. 9. 2011 erstattet. Beide Stellungnahmen der Auftraggeberin wurden der Bf in sog anonymisierten Fassungen zugestellt, in denen zum Teil einzelne Absätze, zum Teil aber auch seitenlange Ausführungen fehlen: So fehlt etwa in der Stellungnahme vom 12. 8. 2011 auf den Seiten 12 und 13 der Text zur Gänze (Leerseiten mit bloßer Seitennummerierung) bzw scheinen in der Stellungnahme vom 16. 9. 2011 sogar (ua) die Seiten 13 bis 20 als Leerseiten auf.

Dem Ersuchen um Akteneinsicht in die (vollständigen) Schriftsätze hat die belangte Behörde keine Folge gegeben, hat nach Ansicht des VwGH aber nicht ausreichend dargelegt, weshalb der Bf die Akteneinsicht nicht gewährt wurde.

Entscheidung:

Zunächst verweist der VwGH auf die bisherige Rsp:

Bereits im Erk VwGH 25. 1. 2011, 2006/04/0238, hat der VwGH auf den Unterschied zwischen einerseits der Einsicht in die Akten des Vergabeverfahrens (Unterlagen des privatwirtschaftlich agierenden Auftraggebers) und andererseits der - nach § 17 AVG zu beurteilenden - Einsicht in die Akten des Verfahrens der Vergabekontrollbehörde hingewiesen.

Zum Verhältnis der Vertraulichkeit von Unterlagen betreffend ein Vergabeverfahren einerseits und dem Recht auf Akteneinsicht vgl VwGH 22. 5. 2012, 2009/04/0187 (siehe dazu auch die Ausführungen im Leitsatz).

Auch der EuGH hat sich in der Entscheidung EuGH 14. 2. 2008, C-450/06, Varec SA (LN Rechtsnews 4453 vom 15. 2. 2008) mit den gegenläufigen Interessen der Wahrung von Geschäftsgeheimnissen im Verfahren zur Vergabe öffentlicher Aufträge einerseits und der ausreichenden Kenntnis von Beweismitteln im Rahmen des fair trial nach Art 6 EMRK andererseits auseinandergesetzt hat.

Zum konkreten Fall hielt der VwGH fest:

„Ausgehend davon, dass die belangte Behörde der Bf im Verfahren über deren Nachprüfungsantrag das (seitenlange) Vorbringen der gegnerischen Auftraggeberin vorenthalten hat, wäre es vor dem Hintergrund der dargestellten Rechtslage (Beurteilung des überwiegenden Interesses iSd § 17 Abs 3 AVG) Aufgabe der belangten Behörde gewesen, zunächst Feststellungen darüber zu treffen, welche Themen das der Bf vorenthaltene Vorbringen der Auftraggeberin betrifft, um daran anknüpfend rechtlich zu beurteilen, ob und inwieweit ein - überwiegendes - Interesse an der Geheimhaltung des jeweiligen Vorbringens besteht und weshalb trotz der Geheimhaltung eine effektive Rechtsverfolgung durch die Bf möglich sei. Ausführungen dieser Art fehlen im angefochtenen Bescheid gänzlich.

Vielmehr hat die belangte Behörde [...] angenommen, dem Nachprüfungsantrag der Bf komme "ohnedies Berechtigung nicht zu", und daraus unzutreffend abgeleitet, dass "schon aus diesen Überlegungen" die von der Bf begehrte Akteneinsicht nicht zu gewähren sei. Damit hat die belangte Behörde, wie die Beschwerde zutreffend aufzeigt, der Bf die Möglichkeit einer ausreichenden Stellungnahmemöglichkeit genommen, sodass ein wesentlicher Verfahrensmangel vorliegt.“

Rechtswidrigkeiten einer bestandsfesten Entscheidung:

Allfällige Rechtswidrigkeiten einer bestandsfesten Entscheidung dürfen von der Vergabekontrollbehörde im Rahmen der Nachprüfung einer späteren Auftraggeberentscheidung nicht aufgegriffen werden. Die Fristgebundenheit von Nachprüfungsanträgen wäre nämlich sinnlos, könnte die Vergabekontrollbehörde eine unanfechtbar gewordene (bestandsfeste) Entscheidung des Auftraggebers im Rahmen der Nachprüfung von darauf aufbauenden Entscheidungen des Auftraggebers überprüfen.

VwGH 12. 6. 2013, 2011/04/0169

Kategorien: Sonstiges

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