Besteht ein (nicht mit der Hand geschriebenes) fremdhändiges Testament aus mehreren losen Blättern, dann genügt die bloße Fortsetzung des Texts nicht zur Herstellung innerer Urkundeneinheit.
Der Erblasser unterfertigte 2018 ein in einem Notariat aufgesetztes, mit dem Computer geschriebenes Testament, das im Zeitpunkt der Unterfertigung aus zwei losen Blättern bestand. Der letzte Absatz auf der Rückseite des ersten Blatts lautete:
„Vorstehendes Testament, welches mir in gleichzeitiger und ununterbrochener Gegenwart der drei ersuchten Zeugen […] des letzten Willens vorgelesen wurde, habe ich meinem letzten Willen entsprechend vollinhalt-“
Auf dem zweiten Blatt wurde der Text wie folgt fortgesetzt:
„lich anerkannt und sodann eigenhändig vor ihnen und unter deren Mitfertigung unterschrieben.“
Darunter folgten die Angabe von Ort und Datum sowie die Unterschriften des Erblassers und der Zeugen mit den erforderlichen handschriftlichen Zusätzen.
Die Vorinstanzen gingen unter Hinweis auf die Rechtsprechung des Fachsenats von der Gültigkeit der letztwilligen Verfügung aus, weil durch die vorliegende Textfortsetzung eine innere Urkundeneinheit hergestellt worden sei.
Der Oberste Gerichtshof erachtete hingegen das Testament als nicht formgültig.
Nach der bisherigen Rechtsprechung des Fachsenats setze die Bejahung der Formgültigkeit eines aus mehreren Blättern bestehenden fremdhändigen Testaments entweder das Vorliegen einer äußeren oder einer inneren Urkundeneinheit voraus. Für die Herstellung der inneren Urkundeneinheit könne nach dieser Rechtsprechung neben der Fortsetzung des Texts auch ein – vom Testator unterfertigter – Vermerk auf dem zusätzlichen Blatt mit Bezugnahme auf seine letztwillige Verfügung ausreichen.
Das nicht näher definierte Kriterium der „Fortsetzung des Texts“ sei in den bisherigen Entscheidungen noch nie die tragende Begründung für die Entscheidung über die Formgültigkeit des Testaments gewesen. In der Lehre sei das Kriterium der „Fortsetzung des Texts“ teilweise als ungeeignet angesehen worden.
Aus Anlass des nunmehr zu beurteilenden Falls unterzog der Fachsenat die bisherige Rechtsprechung zur „Fortsetzung des Texts“ einer neuerlichen Prüfung und gelangte aus folgenden Gründen zum Ergebnis, dass bei einem computergeschriebenen fremdhändigen Testament die Textfortsetzung allein nicht zur Annahme der Formgültigkeit ausreicht:
Das Kriterium der Textfortsetzung sei bei computergeschriebenen fremdhändigen Testamenten unter dem Aspekt der Fälschungssicherheit besonders bedenklich. Auch schaffe die Textfortsetzung nur eine vergleichsweise lose inhaltliche Verbindung, was in einem Spannungsverhältnis zu den Anforderungen des Senats an die äußere Urkundeneinheit stehe. Lasse man Textfortsetzung genügen, hinge die Gültigkeit des Testaments außerdem von der Zufälligkeit ab, ob das erste lose Blatt mit einem vollständigen (Ab)Satz abschließe oder sich ein Satz über die losen Blätter hinweg fortsetze.
OGH | 2 Ob 29/22m
(obiger Text entstammt teilweise oder gänzlich aus der vom OGH veröffentlichten Entscheidungs-Kurzfassung - bisweilen mit Hervorhebungen bzw. Kürzungen durch uns)