Ein Notar, der für eine Veranlagungsgesellschaft unrichtige Prüfberichte über deren Goldbestände erstellt, haftet Anlegern, die im Vertrauen darauf Veranlagungen vornahmen, für den dadurch erlittenen Schaden.
Der beklagte Schweizer Notar erstellte im Auftrag einer Veranlagungsgesellschaft Prüfberichte, in denen er – unter Hinweis auf die „Durchsicht“ von Lagerbeständen – feststellte, dass der Ist-Bestand an Edelmetallen, die im Besitz der Gesellschaft sind, mit dem Soll-Bestand übereinstimmt. Eine physische Kontrolle der Edelmetallbestände wurde vom Beklagten nicht durchgeführt. Ihm war bewusst, dass die Prüfberichte auch zur Anwerbung von Neukunden verwendet würden und den objektiv unrichtigen Eindruck physischer Kontrollen erwecken könnten.
Die Vorinstanzen gaben der Klage eines Anlegers statt.
Der Oberste Gerichtshof bestätigte diese Rechtsansicht. Auf den vorliegenden Fall ist österreichisches Recht anzuwenden. Den Beklagten traf als Sachverständigen eine objektiv-rechtliche Sorgfaltspflicht hinsichtlich seiner Prüfberichte, weil er sich mit seinem Expertenstatus und in seiner Funktion als öffentlicher Notar in den Dienst der Veranlagungsgesellschaft stellte und dieser mit seinen Prüfberichten ein – auf die Sicherheit der Veranlagung bezogenes und daher veranlagungsrelevantes – Verkaufsargument lieferte. Dass der Beklagte als Notar die Übereinstimmung des Soll- mit dem Ist-Bestand bestätigte, ohne letzteren tatsächlich (physisch) überprüft zu haben, begründet eine grobe Sorgfaltswidrigkeit, zumal er sich der Irreführungseignung seiner Prüfberichte bewusst war.
OGH | 6 Ob 233/18k
(obiger Text entstammt teilweise oder gänzlich aus der vom OGH veröffentlichten Entscheidungs-Kurzfassung)