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23. Mai. 2011

Scharia darf in Österreich angewandt werden

Ist das saudiarabische Eherecht in Österreich anwendbar? Mit dieser Frage musste sich nun erstmals der Oberste Gerichtshof beschäftigen. Und tatsächlich kamen die Höchstrichter zu dem Schluss, dass zumindest Teile der in Saudiarabien geltenden Scharia auch hierzulande anzuwenden sind. Selbst wenn sich die in Saudiarabien geltenden Regeln für österreichische Ohren etwas ungewöhnlich anhören.

1983 hatte das Paar in Medina geheiratet. Bereits zuvor war der Mann nach Österreich zugewandert, seine Frau folgte ihm nach der Eheschließung hierher. Die Ehe sollte zwar kinderreich verlaufen, im Jahrestakt kamen nach der Heirat die ersten drei Kinder auf die Welt. Besonders glücklich verlief die Beziehung aber nicht. 2003 wurde die Scheidungsklage eingebracht, 2008 war das Urteil rechtskräftig: Die Gerichte hielten fest, dass beide Eheleute gleichermaßen Schuld am Scheitern der Ehe traf.

Unterhalt nur für die „Wartezeit“
Doch hat die Frau, die in den letzten Jahren von kurzfristigen Jobs und der Hilfe Dritter lebte, nun Anspruch auf nachehelichen Unterhalt? Das saudiarabische Recht folgt der Scharia, und diese spricht eine deutliche Sprache: Kommt es zu einer gerichtlichen Scheidung, dann darf die Frau lediglich für die sogenannte „Wartezeit“, das sind die drei Monate nach der Scheidung, Unterhalt erhalten. Eventuell muss der Mann noch eine Brautgabe erfüllen. In manchen Orten ist auch die „Muta“, ein einmaliger Abfindungsbetrag, üblich. Ein Unterhalt über drei Monate hinaus ist aber in keiner Weise vorgesehen.

Die Frau ist in Österreich eingebürgert, der Mann aber nicht. Die letzte gemeinsame Staatsbürgerschaft war die saudiarabische, somit ist das dort geltende Recht auch von österreichischen Gerichten anzuwenden.

Allerdings kennt das österreichische Gesetz eine Ausnahmen: Verstößt ein ausländisches Recht fundamental gegen die hiesigen Vorstellung von Recht, dann wird doch das inländische Gesetz angewandt.

Der Mann zog aber vor den Obersten Gerichtshof (OGH). Und die Höchstrichter betonten, dass bei der Ordre-public-Klausel „sparsamster Gebrauch“ gefordert ist. Ein bloßer Widerspruch zum österreichischen Recht oder eine „schlichte Unbilligkeit des Ergebnisses“ reiche nicht, um ausländisches Recht ignorieren zu dürfen. Dafür müsse es sich schon um eine Verletzung der „Grundwertungen der österreichischen Rechtsordnung“ handeln. Dies wäre etwa dann der Fall, wenn das Recht auf persönliche Freiheit oder auf Gleichberechtigung verletzt wird.

Der OGH betrachtete ein Gutachten zum saudiarabischen Recht, um sich über die dortigen Scheidungsregeln zu erkundigen. Und die Richter kamen zu dem Schluss, dass die Regel, wonach jemand nach der Ehe nur mehr als drei Monate lang Unterhalt bekommt, nicht fundamental gegen das österreichische Recht verstoße. Schließlich gelte auch hierzulande, dass bei einem beidseitigem Verschulden der Eheleute nicht zwingend ein Unterhalt zugesprochen werden muss. Und wenn ein Unterhalt festgesetzt wird, könne dieser auch zeitlich begrenzt werden.

Petra Piccolruaz, Rechtsanwältin

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