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Der Oberste Gerichtshof wies die Revision der Beklagten zurück.
Er führte aus: Die Verschwiegenheitsverpflichtung des Rechtsanwalts über die ihm im Rahmen eines Mandats anvertrauten Angelegenheiten nach § 9 Abs 2 Satz 1 RAO besteht nach ständiger Rechtsprechung nur dann nicht, wenn er in „eigener Sache“ handelt, etwa wenn er sein Honorar gegen den Mandanten einklagt, oder wenn er sich wegen ihm vorgeworfener strafbarer Handlungen verteidigen muss. Er hat sich dabei aber in seinem Vorbringen auf das unbedingt Notwendige zu beschränken.
Ob Notstandssituationen denkbar sind, in denen die Verschwiegenheitspflicht des Rechtsanwalts (auch) zum Schutz berechtigter Interessen naher Angehöriger (ausnahmsweise) durchbrochen werden könnte, musste der Oberste Gerichtshof nicht abschließend beantworten. Dies wäre – wenn überhaupt – nur zur Abwehr ganz massiver den Angehörigen des Rechtsanwalts drohender Nachteile denkbar, die einer Notstandssituation zumindest nahekommen. Diese Voraussetzungen sind aber im vorliegenden Fall auch nicht annähernd erfüllt: Im strafrechtlichen Ermittlungsverfahren gegen ihren Mann hätte es nämlich ausgereicht, (wahrheitsgemäß) auszusagen, dass sie von ihrem Mann keine Informationen über den Kläger erhalten habe.
Sollten die Behauptungen der Beklagten überdies (entsprechend dem Vorbringen des Klägers) unwahr gewesen sein, hätte die Beklagte nicht nur gegen die anwaltliche Verschwiegenheitsverpflichtung, sondern auch gegen § 1330 Abs 2 ABGB verstoßen, weil die Behauptungen der Beklagten dann für den Kläger kreditschädigend wären.
Der Umstand, dass das gegen die Beklagte wegen der gegenständlichen Preisgaben geführte Disziplinarverfahren vom Disziplinarrat der Tiroler Rechtsanwaltskammer eingestellt wurde, entlastet die Beklagte nicht, weil die für die Einstellung angeführte Begründung des Disziplinarrats unzutreffend ist.
OGH | 6 Ob 224/20i
(obiger Text entstammt teilweise oder gänzlich aus der vom OGH veröffentlichten Entscheidungs-Kurzfassung Hervorhebungen bisweilen von uns)