Die Beklagte spazierte mit ihrem 10 Monate alten und noch verspielten französischen Hirtenhund der Rasse Briard zwischen zwei dörflichen Ortschaften und ließ ihn auf einer Wiese außerhalb des Ortsgebiets frei laufen. Der Kläger befand sich mit seinem Pudel neben einem angrenzenden Weg ca 200 m außerhalb des Ortsgebiets, als ihnen der Hund der Beklagten auf der Wiese entgegenlief, ohne sie zu attackieren oder zu berühren. Der Kläger fühlte sich bzw seinen Pudel durch das Heranlaufen des anderen Hundes irritiert und versuchte, den vermeintlichen Angriff dadurch abzuwehren, dass er seinen Hund in die Höhe hob. Bei seinen Abwehrbewegungen und dem Hochheben des zappelnden Pudels verlor der Kläger das Gleichgewicht, stürzte zu Boden und wurde dabei verletzt. Der Hund der Beklagten hatte damals eine Schulterhöhe von etwa 60-70 cm und ein Gewicht von 25 kg, während der Pudel des Klägers ca 11 kg wog. Neben dem klagsgegenständlichen Vorfall wurden davor keine weiteren Vorfälle mit dem Hund der Beklagten festgestellt. Ihr Hund besuchte mit fünf Monaten die Welpenschule und legte dort die Welpenprüfung ab.
......
Der OGH verwies darauf, dass das Maß der Sorgfaltspflichten bei der Verwahrung und der Beaufsichtigung durch den Tierhalter immer von den Umständen des Einzelfalls abhängt und daher in der Regel keine erhebliche Rechtsfrage aufwirft. Bei der Haftung des Tierhalters ist die Möglichkeit und Wahrscheinlichkeit einer Schadenszufügung durch das Tier zu berücksichtigen. Konkret vorhersehbare Gefahren sind zu vermeiden. Grundsätzlich besteht kein allgemeiner Leinenzwang, sodass es der Verkehrsübung entspricht, gutmütige Hunde im freien Gelände unangeleint herumlaufen zu lassen. Im Gelände ist nur dann erhöhte Sorgfalt geboten, wenn besondere Gefahrenmomente für Personen bestehen.
In der Beurteilung des Berufungsgerichts, dass die Beklagte weder wegen der konkreten Örtlichkeiten noch des Naturells ihres Hundes auf besondere Gefahrenmomente schließen musste, sodass im Anlassfall das freie Herumlaufenlassen nicht sorgfaltswidrig gewesen sei, liegt jedenfalls keine krasse Fehlbeurteilung, die vom Obersten Gerichtshof aus Gründen der Rechtssicherheit oder der Einzelfallgerechtigkeit korrigiert werden müsste.
OGH | 4 Ob 20/18x
(obiger Text entstammt teilweise oder gänzlich aus der vom OGH veröffentlichten Entscheidungs-Kurzfassung)