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22. Mrz. 2021

Gemeinschaftliches Testament - Wirksamkeit nach Scheidung

Die Auslegung eines gemeinschaftlichen Testaments kann ergeben, dass dieses mit der Scheidung der Ehe seine Wirksamkeit verlieren soll. Gibt es für einen solchen Willen des Erblassers im Testament einen ausreichenden Anhaltspunkt (Andeutungstheorie), können auch außerhalb der Urkunde liegende Umstände zur Auslegung herangezogen werden.

Der Erblasser und seine erste Ehefrau errichteten während der Ehe einen Erbvertrag und ein wechselseitiges Testament. Zugleich übergab der Vater des Erblassers diesem sein Einzelunternehmen. Der damaligen Ehefrau des Erblassers wurde in diesem Zusammenhang erklärt, dass Erbvertrag und Testament zu ihrer Absicherung notwendig seien. Die Ehe wurde später im Einvernehmen geschieden. Nach dem Tod des Erblassers gaben dessen zweite Ehefrau und deren gemeinsamer Sohn Erbantrittserklärungen aufgrund des Gesetzes ab. Die erste Ehefrau gab aufgrund des Testaments zu einem Viertel des Nachlasses eine unbedingte Erbantrittserklärung ab.

Das Erstgericht stellte das Erbrecht der gesetzlichen Erben fest, das Rekursgericht auch jenes der Testamentserbin.

Der Oberste Gerichtshof stellte die Entscheidung des Erstgerichts wieder her. Er gelangte im Wege der Auslegung des wechselseitigen Testaments unter Anwendung der in ständiger Rechtsprechung gebilligten Auslegungskriterien zu dem Ergebnis, dass im konkreten Fall der Fortbestand der Ehe im Zeitpunkt des Todes des Erblassers Bedingung für die Zuwendung an die erste Ehefrau war. Ausschlaggebend war der geäußerte Wille des Erblassers, die „Absicherung“ seiner damaligen Ehefrau zu erreichen, was nach den Begleitumständen jedenfalls auch durch die ungeteilte Übertragung des Unternehmens erfolgen hätte sollen, Dies wäre aber im Fall einer – nicht vom Erblasser allein oder überwiegend verschuldeten – Scheidung der Ehe wegen des ex lege damit verbundenen Wegfalls des Erbvertrags von vornherein nicht möglich gewesen. Im Testament fand sich für diesen Willen des Erblassers auch ein im Sinne der Andeutungstheorie ausreichender Anhaltspunkt in der Formulierung, dass der Nachlass dem überlebenden „Ehegatten“ zukommen soll.

OGH | 2 Ob 220/17t 

(obiger Text entstammt teilweise oder gänzlich aus der vom OGH veröffentlichten Entscheidungs-Kurzfassung)

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