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23. Nov. 2016

Gemeinsame Obsorge: Nominelle hauptsächliche Betreuung bei Doppelresidenz

Auch bei Festlegung einer zeitlich gleichteiligen Betreuung bei gemeinsamer Obsorge im Sinne des Kindeswohls (Doppelresidenz), ist die Festlegung der hauptsächlichen Betreuung durch einen Elternteil jedenfalls erforderlich, wenn sie auch bloß nomineller Natur ist und zur Schaffung eines Anknüpfungspunkts für verschiedene Rechtsnormen dient.

Die Frage, welchem Elternteil die hauptsächliche Betreuung zukommen soll, hängt von den Umständen des Einzelfalls ab. Eine jährlich (oder sogar wöchentlich) wechselnde hauptsächliche Betreuung kommt aufgrund der Gesetzeslage nicht in Frage. Es widerspräche auch dem Prinzip der anzustrebenden Kontinuität und Stabilität, wenn kurzfristige Wechsel des Anknüpfungspunkts etwa für den Bezug von Transferleistungen oder zur Bestimmung des Hauptwohnsitzes festgelegt würden.

OGH 24. 8. 2016, 3 Ob 121/16i

Entscheidung

Nach Ansicht des VfGH lassen sich §§ 177, 179 und 180 ABGB im Einklang mit Art 8 EMRK so auslegen, dass die elterliche Vereinbarung bzw gerichtliche Festlegung einer zeitlich gleichteiligen Betreuung möglich ist, wenn dies dem Kindeswohl am besten entspricht. Die Anordnung, dass eine „hauptsächliche Betreuung“ festgelegt werden müsse, könne dann so ausgelegt werden, dass diese Festlegung insb als Anknüpfungspunkt für andere Rechtsfolgen diene, wie etwa für die Bestimmung eines Hauptwohnsitzes (siehe VfGH 9. 10. 2015, G 152/2015 = Zak 2015/682, 394).

Diese Auslegung (Zulässigkeit der Doppelresidenz, sofern sie dem Kindeswohl am besten entspricht) steht nach Ansicht des OGH zwar in einem Spannungsverhältnis zum erklärten Gesetzeszweck, der darauf hinausläuft, dass für Kinder jedenfalls ein Heim erster Ordnung geschaffen werden soll. Dem gesetzlichen Leitprinzip des Kindeswohls werde mit dieser Auslegung aber jedenfalls zum Durchbruch verholfen. Im Ergebnis hält der OGH daher die Festlegung der hauptsächlichen Betreuung durch einen Elternteil für jedenfalls erforderlich, „sei diese auch bloß nomineller Natur zur Schaffung eines Anknüpfungspunkts für verschiedene Rechtsnormen“.

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