Der Geschädigte kann als Ausfluss der Naturalrestitutionspflicht vom Schädiger verlangen, dass ihn dieser vom Anspruch eines Drittgläubigers freistellt. Ein solcher Freistellungsanspruch (Befreiungsanspruch) besteht jedenfalls dann, wenn die konkrete Verbindlichkeit zugunsten des Drittgläubigers bereits entstanden ist und von diesem auch geltend und damit fällig gestellt wurde.
Die Klägerin ist die Verlassenschaft nach einem Arzt, der wegen eines Behandlungsfehlers zur Zahlung einer Versorgungsrente von monatlich 1.200 EUR an den Witwer der nicht fachgerecht behandelten und daher verstorbenen Patientin verurteilt wurde. Die Verurteilung wäre unterblieben, wenn der beklagte Rechtsanwalt des Arztes pflichtgemäß den Verjährungseinwand aufrechterhalten hätte.
Die Klägerin begehrt vom Beklagten unter anderem die Befreiung von der Verbindlichkeit gegenüber dem Witwer. Umstritten ist, ob ein solcher Freistellungs-/Befreiungsanspruch zusteht.
Die Vorinstanzen gaben dem auf Schadenersatz gestützten Klagebegehren statt.
Der Oberste Gerichtshof bestätigte diese Entscheidungen. Bei einem Schaden in Form einer Verbindlichkeit (wie im vorliegenden Fall) kann der Geschädigte grundsätzlich ein Begehren auf Befreiung von dieser konkreten Verbindlichkeit gegenüber dem Schädiger stellen. Die Befreiung hat für den Geschädigten im Vergleich zu einem bloßen Feststellungsurteil über die Haftung den Vorteil, dass er über einen sofort vollstreckbaren Leistungstitel verfügt, mit dem die Handlungspflicht auf den Schädiger überwälzt wird. Der Befreiungstitel ist nach der Exekutionsordnung – als vertretbare Handlung – vollstreckbar. Der Rechtsanwalt schuldet die Befreiung der Klägerin von deren künftigen monatlichen Rentenverpflichtungen (in der Höhe von 1.200 EUR) jeweils erst und nur in dem Zeitpunkt, in dem der Witwer dieser gegenüber darauf Anspruch hat. Die Verpflichtung zur Freistellung der Klägerin trifft ihn daher für die zukünftigen Rentenzahlungen erst im Zeitpunkt ihrer Fälligkeit gegenüber dem Witwer.
OGH | 1 Ob 121/17a
(obiger Text entstammt teilweise oder gänzlich aus der vom OGH veröffentlichten Entscheidungs-Kurzfassung)