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15. Jun. 2011

Neues Lobbying-Gesetz wirft Fragen auf

Entwurf: Der Transparenz-Ansatz im Umgang mit Lobbying ist im Ansatz richtig und auf europäischer Ebene erprobt. Details des Gesetzesentwurfs sind aber umstritten.

Ein Lobbyist hat es dieser Tage nicht leicht: Schwarze Schafe der Branche stehen im Visier von Ermittlungsbehörden und Medien, Lobbying wird salopp in einem Atemzug mit Korruption genannt, und eine durchaus spannende Lektüre liegt jetzt auch noch auf dem Tisch: ein Entwurf für ein Lobbying-Transparenz-Gesetz.

Die Initiative mag in Teilbereichen umstritten sein, etwa was ihre Anwendung auf die Sozialpartner und den Umfang der Offenlegungspflichten betrifft. Im Grundsatz ist der Transparenz-Ansatz aber richtig, zweckmäßig und auf europäischer Ebene erprobt. Die EU-Kommission verwaltet seit Juni 2008 ein freiwilliges Register der Interessenvertreter, das unter anderem die Annahme eines Verhaltenskodex und eine Offenlegung der Umsätze verlangt. Die heimische Politik geht mit dem geplanten obligatorischen Interessenvertretungs-Register (IVR)einen Schritt weiter, was im Lichte der Vorkommnisse in letzter Zeit nachvollziehbar ist. Wenn tatsächlich ein Pflichtregister kommt, sollte nach einigen Jahren eine Evaluierung und eventuell eine Nachjustierung erfolgen, wenn weitere legistische Vorhaben zu Parteienfinanzierung, Verhalten der Parlamentarier, Antikorruption etc. abgeschlossen wurden.

Das geplante Gesetz will alle entgeltlichen Aktivitäten regeln, die darauf abzielen, Entscheidungsprozesse von Funktionsträgern der Gesetzgebung und Vollziehung direkt zu beeinflussen (mit einigen Ausnahmen). Es richtet sich nicht nur an echte Lobbying-Unternehmen (Interessenvertretungsunternehmen), sondern auch – in abgeschwächter Weise – an sogenannte Interessenträger. Letztere sind

  • Unternehmen, die Unternehmenslobbyisten beschäftigen,
  • gesetzlich eingerichtete Selbstverwaltungskörper zur Wahrnehmung der gemeinsamen   Interessen seiner Mitglieder (wie Wirtschafts- und Arbeiterkammern),
  • sonstige Interessenverbände (NGOs etc.).

Der Entwurf verpflichtet alle Adressaten, wenn auch im Detail mit Erleichterungen für Selbstverwaltungskörper und Interessenträger, zur Registrierung der Organisation selbst (samt weiterer Daten) und der von ihr beschäftigten oder für sie tätigen Lobbyisten/Interessenvertreter im IVR. Hinzu kommen Vorgaben für die Ausübung der Lobbying-Tätigkeit selbst, wobei Kernthemen gesetzlich vorgegeben werden, ansonsten aber auf Selbstregulierung gesetzt wird.

Gesetzliche Mindeststandards
Zum gesetzlich vorgegebenen Mindeststandard zählen etwa:

  • Informationen des Auftraggebers nur wahrheitsgemäß weiterzugeben und nur auf lautere Weise zu beschaffen,
  • den Funktionsträger über die Lobbying-Aufgabe und den Auftraggeber zu informieren und ihn nicht unlauter oder unangemessen unter Druck zu setzen (ist damit angemessener Druck, was immer darunter zu verstehen ist, erlaubt?),
  • dem Auftraggeber eine Schätzung des voraussichtlichen Honorars und eine allfällige Überschreitung bekannt zu geben.

Klassische Lobbying-Unternehmen müssen nach Zustandekommen eines Lobbying-Auftrags überdies den Auftraggeber sowie Umfang und Gegenstand des Lobbying-Auftrags in das IVR eintragen lassen. Zusätzlich sind der mit Lobbying erzielte Jahresumsatz und die Anzahl der bearbeiteten Aufträge bekannt zu geben; nicht registrierte Unternehmen müssen Lobbying-Aufträge ablehnen. Verstöße gegen diese Pflichten führen zur Nichtigkeit des Lobbying-Auftrags und zum Verfall des Honorars (gilt auch für Erfolgshonorare, welche nicht vereinbart werden dürfen).

Zusätzlich setzt der Gesetzgeber auf „Soft law“, also Verhaltenskodizes, die von repräsentativen Vereinigungen der Branche oder von Selbstverwaltungskörpern auf Basis gesetzlicher Mindestvorgaben zu beschließen sind. Der verwendete „Code of Conduct“ ist im Außenauftritt (in Geschäftsbriefen und im Internet) zu erwähnen und auf Verlangen verfügbar zu machen. Ein Wildwuchs von Verhaltenskodizes ist nicht zu erwarten, zumal sich die (ohnehin überschaubaren) Lobbying-Unternehmen und die im Eigenlobbying tätigen Unternehmen voraussichtlich am Verhaltenskodex ihrer Kammer orientieren werden, der wohl als Service für die Mitgliedsbetriebe angeboten würde.
Bei Verletzungen der Verhaltens- und Registrierungspflichten drohen erhebliche Verwaltungsstrafen, in Ausnahmefällen sogar gerichtliche Strafen und die Streichung aus dem IVR. Klassisches Strafrecht bleibt natürlich ebenfalls anwendbar (insb. Korruptionsdelikte, Bestimmung zum Amtsmissbrauch). Man wird sehen, welche Änderungen dieser Entwurf noch erfährt. Der Vorstoß ist aber grundsätzlich zu begrüßen.

Stefan Müller, Rechtsanwalt

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