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10. Mrz. 2021

Morscher Waldbaum stürzt auf Nachbargrund – forstrechtliche Haftungsfreiheit

Der Oberste Gerichtshof hatte zu beurteilen, ob der Waldeigentümer bei Schäden, die durch einen umstürzenden Waldbaum am Nachbargrundstück eintreten, nach dem ForstG von einer Haftung befreit ist oder nach einem anderen Rechtsgrund, insbesondere dem Nachbarrecht, zu haften hat.

Das Erst- und das Berufungsgericht gaben der Klage aus nachbarrechtlichen Erwägungen statt.

Der Oberste Gerichtshof teilte diese Beurteilung nicht.

Nach dem ForstG (§ 176 Abs 2) trifft den Waldeigentümer, vorbehaltlich eines besonderen Rechtsgrundes, keine Pflicht zur Abwendung der Gefahr von Schäden, die abseits von öffentlichen Straßen und Wegen durch den Zustand des Waldes entstehen könnten; er ist insbesondere nicht verpflichtet, den Zustand des Waldbodens und dessen Bewuchses so zu ändern, dass dadurch solche Gefahren abgewendet oder vermindert werden. Diese Bestimmung (sog. „Haftungsprivileg“ des Waldeigentümers) verdrängt die allgemeine deliktische Haftung nach dem ABGB. Sie wurde im Zuge der Gesetzwerdung bewusst nicht auf Schäden von Waldbenützern beschränkt und trägt auch dem Umstand Rechnung, dass die Einhaltung einer Gefahrenabwehrpflicht außerhalb von Straßen und Wegen bei einem österreichweiten Waldbestand von 4 Mio ha an die Grenzen des forstwirtschaftlich Zumutbaren stieße. Eine Haftungsgrundlage findet sich auch nicht in der für Baumkontrolle und -pflege einschlägigen ÖNORM, weil sie auf Waldbestände iSd ForstG nicht anwendbar ist.

Zwar enthalten die nachbarrechtlichen Bestimmungen des ABGB einen „besonderen Rechtsgrund“ für eine Gefahrenabwehrpflicht. Sie waren hier aber nicht anwendbar: Nachbarrechtliche Ansprüche wegen einer Verletzung des Immissionsverbots dienen nur der Störungsabwehr. Sie begründen einen Anspruch auf Unterlassung oder Beseitigung, nicht aber auf Wiederherstellung des vorigen Zustandes oder auf Geldausgleich. Überdies sind solche Ansprüche ausgeschlossen, wenn es sich um Naturereignisse handelt, die ohne (begünstigendes) menschliches Zutun eintreten. Darüber hinaus besteht ein verschuldensunabhängiger Ausgleichsanspruch im Nachbarrecht nur, wenn die Beeinträchtigung durch eine Bergwerksanlage, eine behördlich genehmigte Anlage oder eine vergleichbare Gefährdungssituation besteht. Eine solche bestand hier nicht, weil – anders als etwa bei Schlägerungsarbeiten – keine menschlich geschaffene Gefahrensituation vorlag. Das Umfallen morscher Bäume aus einem Wald als solches begründet danach keine nachbarrechtliche Haftung nach dem ABGB. Besondere Verkehrssicherungspflichten waren nach der forstgesetzlichen Grundwertung zu verneinen. Ob aus allgemeinen Erwägungen eine Haftung wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung geboten sein könnte, war mangels entsprechender Anhaltspunkte im Sachverhalt nicht zu prüfen. Das Klagebegehren wurde daher abgewiesen.

OGH | 9 Ob 7/18x 

(obiger Text entstammt teilweise oder gänzlich aus der vom OGH veröffentlichten Entscheidungs-Kurzfassung)

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