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12. Dez. 2011

Firmenbuch: Einschränkungen bei der Datenverwer-tung zulässig?

Streit um Firmenbuchdaten: Der OGH fragt beim EU-Gerichtshof an, ob die Republik aus Wettbewerbsgründen das Firmenbuch Mitbewerbern öffnen muss.

Compass ist ein privater Anbieter von Wirtschaftsinformationen. Er betreibt eine kostenpflichtige Datenbank, in der sämtliche in Österreich protokollierten Unternehmen in tagesaktueller Qualität abrufbar sind. Neben den auch im Firmenbuch abrufbaren Informationen enthält die Datenbank weiterführende unternehmensbezogene Informationen, wie etwa Telefonnummern oder Bankverbindungen. Die Datenbank wird von Compass durch laufende Abfragen des Firmenbuchs aktualisiert. Es ist derzeit nicht möglich, Änderungsdaten gesondert vom Firmenbuch abzufragen; vielmehr bedarf es stets des Erwerbs des gesamten Firmenbuch-Datenstands je Unternehmen. Obwohl Compass nur einen Teil dieser Daten zur Wahrnehmung seiner Aktualisierungstätigkeit benötigt, hat er für die Abfrage der gesamten Daten zu bezahlen. Verlag will Änderungen abfragen Seit 2001 führen die Republik Österreich und Compass Prozesse über die Nutzung der Daten des Firmenbuchs. Grundsätzlich gewährt die Republik Österreich jedem gegen Entgelt Einsicht in das Firmenbuch, untersagt aber jede darüber hinausgehende Verwendung. Die Republik Österreich wirft Compass durch die Verwendung der im Firmenbuch vorhandenen Daten eine Verletzung ihrer Urheberrechte vor. Compass hingegen meint, dass die Untersagung der Verwendung der Daten einen Verstoß gegen das kartellrechtliche Missbrauchsverbot nach Artikel 102 AEUV darstelle; die Republik sei verpflichtet, Compass die Änderungsdaten zu angemessenen Preisen zur Verfügung zu stellen und eine dazu berechtigende Lizenz einzuräumen. Dem hält die Republik allerdings entgegen, dass sie beim Betreiben des Firmenbuchs nicht als Unternehmerin handle und daher nicht dem kartellrechtlichen Missbrauchsverbot unterliege. Denn nur soweit Staaten unternehmerisch tätig werden, haben sie die Vorschriften des Kartellrechts zu beachten. Die Bereitstellung der Firmenbuchdaten sei allerdings keine unternehmerische Tätigkeiten, sondern eine hoheitliche Aufgabe. Somit unterliege die Republik bei der Bereitstellung der Firmenbuchdaten eben nicht dem kartellrechtlichen Missbrauchsverbot.

Hoheitlich oder unternehmerisch?

Grundsätzlich vollbringt die Republik die Sammlung und Bereitstellung als hoheitliche Aufgabe. Der Oberste Gerichtshof (OGH) betrachtet es allerdings als fraglich, ob die Republik auch noch bei der Verwaltung der Urheberrechte, die quasi eine Monopolisierung der im Firmenbuch enthaltenen Daten darstellt, hoheitlich handelt. Der OGH hat daher dem Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) die Frage zur Vorabentscheidung vorgelegt, ob die Republik unternehmerisch tätig wird, wenn sie die Daten, die im Firmenbuch aufgrund einer gesetzlichen Meldepflicht enthalten sind, gegen Entgelt zum Abruf anbietet bzw. den Abrufenden Verwertungshandlungen verbietet, die über den bloßen Abruf hinausgehen. Sollte dies vom EuGH als unternehmerisches Handeln gewertet werden, könnte die Republik Österreich der aus dem US-amerikanischen Recht stammenden Essential-Facilities-Doktrin unterliegen, die seit Anfang der 1990er-Jahre auch im europäischen Wettbewerbsrecht anerkannt ist.

„Essential-Facilities-Doktrin“

Zweck der Essential-Facilities-Doktrin ist es, den Wettbewerb zu sichern, indem sie die Inhaber von Einrichtungen oder Informationen dazu verpflichtet, diese Einrichtungen anderen Unternehmen gegen ein angemessenes Entgelt zur Verfügung zu stellen. Voraussetzung dafür ist, dass diese anderen Unternehmen auf die Verwendung dieser Einrichtungen angewiesen sind – es sich also um „Essential facilities“ handelt –, um neue Produkte auf einem nachgelagerten Markt anzubieten, die der Inhaber dieser Einrichtung nicht anbietet und nach denen zumindest eine potenzielle Nachfrage besteht. Nach Ansicht von Compass stellen die im Firmenbuch enthaltenen Informationen eine wesentliche Einrichtung dar, um auf einem abgeleiteten Markt tätig zu werden. Ob die Firmendatenbank von Compass aufgrund der im Vergleich zum Firmenbuch enthaltenen zusätzlichen Daten (Telefonnummer, Bankverbindungen, Beteiligungsdiagramme usw.) ein neues Produkt darstellt, wäre bei Fortgang des Verfahrens noch festzustellen. Dass jedenfalls eine entsprechende Nachfrage an diesem Produkt besteht, zeigt sich bereits aus der langjährigen erfolgreichen Tätigkeit von Compass. Der OGH trägt nun erstmals die Frage an den EuGH heran, ob die Essential-Facilities-Doktrin auch anzuwenden ist, wenn es zwar einen nachgelagerten Markt gibt, auf dem der Wettbewerb ausgeschaltet wird, es aber keinen vorgelagerten Markt im herkömmlichen Sinn gibt, da auf diesem Markt bloß hoheitlich gehandelt wird. In der Begründung des Vorlagebeschlusses führt der OGH Bezug nehmend auf EuGH-Rechtsprechung und Sekundär-Unionsrecht bereits selbst überzeugende Argumente für die Anwendbarkeit des Wettbewerbsrechts auf derartige Fallkonstellationen an. Es bleibt abzuwarten, ob der EuGH den Ansätzen des OGH folgt. Die Anwendbarkeit des Wettbewerbsrechts und die Erfüllung aller Voraussetzungen für die Anwendbarkeit der Essential-Facilities-Doktrin würden zur Einräumung einer Zwangslizenz zugunsten von Compass führen. Andernfalls könnten – so nicht die auch vom OGH erwähnten innerstaatlichen allgemeinen privatrechtlichen Regeln zum Kontrahierungszwang greifen – jegliche Tätigkeit von Compass und folglich jeglicher Wettbewerb auf dem abgeleiteten Markt ausgeschlossen sein. Für die Anwender von Informationsdiensten wird diese Reduktion des bestehenden Angebots nicht erstrebenswert sein.

Stefan Müller, Rechtsanwalt, Bludenz

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