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28. Sep. 2015

Rechnungslegungsanspruch des Handelsvertreters

Einem Handelsvertreter oder sonstigen provisionsberechtigten Vermittler steht ein Anspruch auf Vorlage einer Abrechnung durch Mitteilung eines Buchauszugs zu. Inhalt und Umfang der Rechnungslegung richten sich dabei nach dem Verkehrsüblichen bzw nach der im Einzelfall getroffenen Vereinbarung, wobei der Inhalt des Auskunftsanspruchs jeweils unter Rückgriff auf das geltend gemachte materielle Aufklärungsrecht im Einzelfall zu ermitteln ist. Ausgangspunkt für den Rechnungslegungsanspruch ist jeweils die im Einzelfall begründete materiell-rechtliche Verpflichtung. Grundsätzlich sind dem Auskunftsberechtigten - hier im Wege der Erteilung von Buchauszügen - (in möglichst übersichtlicher Form) alle Informationen zugänglich zu machen, die erforderlich sind, um sämtliche ihm zustehende Provisionsansprüche ermitteln zu können.


Ebenso einzelfallabhängig ist die Frage, ob der provisionspflichtige Unternehmer im Falle der Übermittlung unvollständiger Buchauszüge lediglich fehlende Teile nachzureichen hat oder aber verpflichtet ist, insgesamt nachvollziehbare Auszüge in einem „Gesamtpaket“ zur Verfügung zu stellen. Ob eine bloße Ergänzung ausreicht, kann regelmäßig erst beurteilt werden, wenn feststeht, welchen Inhalt diese ergänzenden Unterlagen haben und ob diese iVm den bereits vorliegenden eine einfache und klare Nachvollziehbarkeit gewährleisten.


OGH 19. 3. 2015, 1 Ob 34/15d


Entscheidung


Unvollständige Auskunft


Der OGH sah keine aufzugreifende Fehlbeurteilung in der Auffassung des BerufungsG, dass durch die übermittelten Unterlagen keine vollständige Auskunft erteilt worden sei. Das BerufungsG hatte insb betont, die übergebenen Urkunden wiesen bloß nach Kunden aufgegliederte Gesamtsummen an Zahlungseingängen und daraus errechnete Provisionen aus, ohne dass ersichtlich wäre, auf welche konkreten Geschäfte sich diese Summen beziehen sowie ob und aus welchen Gründen eventuell im Einzelfall Divergenzen zwischen Bestellung, Lieferung, Fakturierung und Zahlung aufgetreten sind; es sei nicht möglich, diese Gesamtsummen in eine Relation zu den in einer bestimmten Abrechnung aufgelisteten Geschäftsfällen zu bringen.


Dem hielt die Revision nach Ansicht des OGH nichts Überzeugendes entgegen. Dazu führte der OGH aus: „Die Behauptung, vier bestimmte Urkunden ... bildeten in ihrer Gesamtheit einen vollständigen Buchauszug, der die Kl in die Lage versetze, ihre Provisionsansprüche umfassend und abschließend zu berechnen, ist mangels jeglicher Konkretisierung nicht geeignet, die Beurteilung des BerufungsG zu widerlegen, die der Kl übergebenen Unterlagen enthielten die maßgeblichen Informationen nicht vollständig und nachvollziehbar und es sei nicht Sache des Handelsvertreters die Daten mühsam aus verschiedenen Urkunden zusammenzusuchen und in eine geschäftsfallbezogene Ordnung zu bringen.“


Ergänzung der Unterlagen


Eine unvertretbarer Fehlbeurteilung sah der OGH auch nicht in der Ansicht des BerufungsG, die Bekl sei (nach wie vor) zur Übergabe vollständiger Buchauszüge für den klagegegenständlichen Zeitraum verpflichtet. Sollte die Bekl nun lediglich weitere Buchhaltungsunterlagen übergeben und im Übrigen auf die bereits übermittelten verweisen, werde gegebenenfalls im Exekutionsverfahren zu klären sein, ob sie damit ihrer Rechnungslegungsverpflichtung vollständig nachgekommen ist.


Rechnungslegung auch über Zeitraum nach Vergleich


Eine Absage erteilte der OGH weiters dem Argumet der Bekl, dass bei der Vereinbarung vom 15. 8. 2013 über die „Ansprüche zum Stichtag 30. 6. 2013“ „alle Zahlungseingänge betreffend die Saison 2012/2013 zahlungsmäßig bereits miterfasst“ gewesen seien. Insb war es für den OGH unverständlich, warum es auszuschließen sein sollte, dass provisionspflichtige Geschäfte noch vor diesem Stichtag abgeschlossen wurden und die Auslieferung der Waren erst danach stattfand. Gerade bei Geschäftsabschlüssen kurz vor diesem Stichtag liege es vielmehr nahe, dass Auslieferung und Zahlung erst danach erfolgt sind; derartige Geschäftsfälle wären damit von dem Vergleich schon deshalb nicht erfasst, weil nach der getroffenen Vereinbarung erst der Zahlungseingang beim Geschäftsherrn den Provisionsanspruch des Handelsvertreters begründet (s auch § 9 Abs 1 Z 3 HVertrG 1993).


Somit hegte der OGH keine Bedenken dagegen, dass der Bekl die Verpflichtung auferlegt wurde, einen Buchauszug für alle Geschäfte zu übergeben, „die im Zeitraum 1. 7. 2013 bis 18. 2. 2014 geschlossen wurden oder aufgrund derer in diesem Zeitraum Auslieferungen stattfanden“.


Zu erfassende Geschäftsfälle


Ebensowenig lag nach Ansicht des OGH eine unvertretbare Fehlbeurteilung im Erfassen von Geschäftsfällen, die „provisionspflichtig sein könnten“. Dazu führte der OGH aus, es sei „doch gerade Sinn des Auskunftsanspruchs des Handelsvertreters auch über jene Geschäftsfälle ausreichende Informationen zu erlangen, in denen - auf tatsächlicher oder rechtlicher Ebene - Streit darüber bestehen könnte, ob sie zu jenen gehören, für die eine Provision gebührt“. Aus der detaillierten Aufzählung des von der Bekl geschuldeten Inhalts der Buchauszüge - insb dem einleitenden Verweis auf zwei konkrete Beilagen - ergebe sich im Übrigen ohnehin mit ausreichender Deutlichkeit, dass es sich nur um Geschäfte der Bekl mit jenen Kunden und über jene Produkte handeln kann, die in den für den betreffenden Zeitraum maßgeblichen Anlagen zum Handelsvertretervertrag genannt sind.

Kategorien: Sonstiges

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