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27. Apr. 2017

Medikament "wirksam und verträglich" - unlauterer Wettbewerb?

Die Parteien stehen in einem Wettbewerbsverhältnis auf dem Markt für Diabetesmedikamente. Die bekl P bewarb ihre Produkte in einem 6-seitigen Folder gegenüber Ärzten mit folgenden herausgestellten Behauptungen:

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wirksam und verträglich

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einfach verschreibbar

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auf Herz und Nieren geprüft

Die Fachinformationen zu den beworbenen Medikamenten enthalten zahlreiche Ausführungen über die Wirksamkeit der beiden Arzneimittel und listen eine Reihe von Gegenanzeigen, Wechselwirkungen und Nebenwirkungen auf.

Das Bundesamt für Sicherheit im Gesundheitswesen hat zudem zwei Warnhinweise veröffentlicht, wonach bei Patienten, die mit den Medikamenten der bekl P behandelt wurden, schwerwiegende und manchmal lebensbedrohliche Fälle von diabetischer Ketoazitose aufgetreten seien.

Weiters existiert eine in Fachkreisen vielbeachtete und aufsehenerregende klinische Studie, die zu positiven Ergebnissen kam. Demnach bewirkt der in den Medikamenten der bekl P enthaltene Wirkstoff „Empagliflozin“ eine signifikante Reduktion von Herz- und Nierenerkrankungen bei Diabetes Typ II-Patienten. Auf diese Studie wird in dem Folder mit dem Logo und der Kurzbezeichnung „EMPA-REG OUTCOME®“ hingewiesen, was die angesprochenen Fachkreise auf die ihnen bekannte Studie beziehen.

Die kl P beantragte, der bekl P zur Sicherung ihres gleichlautenden Unterlassungsbegehrens mittels einstweiliger Verfügung zu verbieten, ihre Medikamente mit den Behauptungen „wirksam und verträglich“ oder „auf Herz und Nieren geprüft“ zu bewerben. Ua wurde geltend gemacht, die Anzeige sei irreführend nach § 6 Abs 2 AMG.

Entscheidung

„Auf Herz und Nieren geprüft“

Ebenso wie die Aussage „wirksam und verträglich“ begründete auch die Aussage „auf Herz und Nieren geprüft“ keinen lauterkeitsrechtlichen Unterlassungsanspruch.

Ihr liegt nach Ansicht des OGH der objektive Umstand zugrunde, dass die beworbenen Arzneimittel intensiv und erfolgreich im Hinblick auf ihre Auswirkungen auf Herz (kardiovaskuläre Ergebnisse) und Niere (Nierenerkrankungen etc) wissenschaftlich überprüft wurden. Auch das BerufungsG ging zutreffend von einem möglichen Verständnis der angesprochenen Fachkreise dahin aus, dass die Medikamente gezielt und intensiv mit positiven Ergebnissen auf ihre Wirkungen auf Herz und Niere untersucht wurden. Dieser Eindruck entspricht den Tatsachen und verstößt nicht gegen das Irreführungsgebot. Aus der Aussage ist nicht abzuleiten, dass bei dieser Medizin ein Erfolg mit Sicherheit zu erwarten ist oder keine schädlichen Wirkungen eintreten.

Aus diesen Erwägungen sieht der OGH daher im gerügten Hinweis keine marktschreierische Aussage und damit keinen Verstoß gegen das Objektivitätsgebot.

Bezugnahme auf eine Studie

Insoweit die kl P und das RekursG davon ausgehen, dass der Werbefolder nicht ausreichend auf die Studie Bezug nimmt, wird der bekl P aber keine irreführende Geschäftspraktik vorgeworfen, sondern ein Verstoß gegen Vorschriften, die eine ausreichende Referenzierung vorschreiben. Dennoch kann der Unterlassungsanspruch im Ergebnis aber auch nicht auf einen Verstoß gegen § 55 Abs 2 und Abs 4 AMG gestützt werden:

Auch bei einem Verstoß gegen diese Normen ist eine auf wissenschaftlichen Erkenntnissen beruhende, den Tatsachen entsprechende Behauptung nicht deshalb irreführend, weil der Adressat die Quelle nicht nachprüfen kann.

Denkbar ist allenfalls ein unlauterer Wettbewerbsvorsprung durch Rechtsbruch. Allerdings konnte die bekl P zumindest in vertretbarer Weise davon ausgehen, dass mit der namentlichen Nennung der in Fachkreisen bekannten Studie und der Abbildung des Studienlogos im Folder eine ausreichende Referenz auf die wissenschaftliche Studie erfolgt ist, die der Aussage „auf Herz und Nieren geprüft“ zugrundeliegt.

Im Übrigen verlangt die den zitierten Bestimmungen des AMG zugrundeliegende RL 2001/83/EG zur Schaffung eines Gemeinschaftskodexes für Humanarzneimittel in Art 92 die Anführung einer genauen Quelle nur bei Zitaten, Tabellen und sonstigen Illustrationen, die aus medizinischen Zeitschriften oder wissenschaftlichen Werken entnommen wurden, nicht aber bei einer bloßen Bezugnahme auf eine Studie.

Mit der gerügten Werbeaussage wird somit nicht suggeriert, dass ein Erfolg regelmäßig zu erwarten und Nebenwirkungen stets auszuschließen sind. Der Vorwurf, die so verstandene Information sei unvollständig oder nicht ausreichend belegt, kann daher das Begehren nicht stützen.

OGH 21. 2. 2017, 4 Ob 269/16m

 

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