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18. Okt. 2011

EU: Teilweiser Forderungsverzicht soll bei Banksanierungen mithelfen

EU-Kommission will, dass Gläubiger maroder Banken durch Herabsetzung ihrer Forderungen oder Zwangsumwandlung in Aktien an Rettungsaktionen beteiligt werden.

Bankpleiten sind auch durch die beste Aufsicht und die strengste Regulierung nicht verhinderbar. Für den Fall künftiger Krisenszenarien möchte die Europäische Kommission nun auch Gläubiger in die Pflicht nehmen, wenn es um die Rekapitalisierung notleidender Kreditinstitute geht (Bail-in). Damit soll das Zurverfügungstellen öffentlicher Gelder (Bail-out) tatsächlich allerletztes Mittel werden und - gerade bei Instituten, die als systemrelevant ("too big too fail") gelten und bisher auf den Kapitalmärkten von der implizierten staatlichen Unterstützung profitierten - ein Risikotransfer vom Steuerzahler auf die Gläubiger stattfinden.

Nach den Brüsseler Plänen sollten in Zukunft Gläubiger eines in Schieflage befindlichen Kreditinstituts entweder im Weg einer Zwangsumwandlung in Aktien oder durch das dauerhafte Herabsetzen des Nominalbetrages ihrer Forderungen zur Sicherung der Solvenz beitragen.

Bemerkenswert ist, dass die Maßnahmen nicht nur nachrangige (eigenkapitalähnliche), sondern auch nicht nachrangige Instrumente (also auch Senior-Anleihen) umfassen sollen. Der Gedanke dahinter ist wohl, dass selbst Fremdkapitalgeber dem notleidenden Kreditinstitut näher stehen als der Steuerzahler und durch deren Einbeziehung eine breitere Sanierungsbasis geschaffen wird. Eine zwangsweise Verlustbeteiligung nicht nachrangiger Gläubiger durch Herabsetzung derer Nominale ist jedenfalls ein geradezu revolutionärer Mechanismus, der nur durch die Besonderheiten des Bankwesens und der Finanzmärkte erklärbar ist.

Ohne Gläubigerzustimmung
Bei der zwangsweisen Umwandlung von Forderungen in Eigenkapital (Debt-equity swap) und der damit einhergehenden Verwässerung der bisherigen Aktionäre ist vor allem neu, dass dies ohne die Zustimmung der Gläubiger erfolgen könnte. Das aktuelle Vorhaben soll bereits etablierte Formen der Gläubigerbeteiligung (z. B. Contingent Convertibles) ergänzen. Solche Mechanismen sind seit 1. 1. 2011 in den Vorschriften für Hybridkapitalinstrumente enthalten und werden auch für die neue Kategorie des Additional Tier-1 Kapitals nach Basel III verlangt.

Alles einbezogen oder nicht
Zur Einbeziehung nicht nachrangiger Instrumente stehen zwei Ansätze zur Diskussion: Der "comprehensive approach" soll im Anlassfall sämtliche Senior- Instrumente erfassen, der "targeted approach" hingegen nur ein im Vorhinein bestimmtes Volumen von potenziell dem Bail-in unterliegenden Senior-Instrumenten ("bail-in able" debt). Bestimmte Instrumente und Refinanzierungen sollen dem Bail-in nicht unterliegen, etwa Einlagen und besicherte Schuldinstrumente (z. B. Pfandbriefe). Weitere Ausnahmen, etwa für Derivatgeschäfte, werden kontrovers diskutiert.

Neu ist neben der Einbeziehung der nicht nachrangigen Instrumente auch der Vorschlag eines Eingreifens "von außen". Das bedeutet, dass nicht ein vertraglich vereinbarter Mechanismus greift, sondern eine von einer Behörde im Rahmen gesetzlicher Vorgaben vorgenommene Zwangsumwandlung in Aktien oder zwangsweise Herabsetzung des Forderungsbetrags erfolgt. Der dabei der Behörde eingeräumte Spielraum - etwa bei der Festlegung des Zeitpunkts oder des Umfangs der Herabsetzung - ist unter dem Blickwinkel der Berechenbarkeit der Instrumente für Investoren (und somit der Platzierbarkeit) und hinsichtlich möglicher Amtshaftungsansprüche eine Gratwanderung.

Weitgehende Einigkeit herrscht im laufenden Konsultationsprozess dahin, dass die einen Bail-in auslösenden Ereignisse möglichst objektiv und transparent festgelegt werden. Marktteilnehmer favorisieren Ereignisse, die möglichst nahe bei einem allfälligen Insolvenzzeitpunkt liegen; dies sei für die Investoren noch vergleichsweise erträglich und würde auch die Refinanzierungskosten der Kreditinstitute am wenigsten beeinträchtigen. Vorgeschlagen werden aber auch regulatorische Auslöser, die etwa an Konzessionsvoraussetzungen oder Eigenmittelratios anknüpfen.

Die Umsetzung des Bail-ins wird weitere gesetzliche Anpassung erfordern, um die im Falle einer Zwangskonvertierung erforderlichen Aktien den Gläubigern kurzfristig liefern zu können. Die derzeitigen Möglichkeiten für bedingtes bzw. genehmigtes Kapital gemäß Aktiengesetz werden wohl nicht immer ausreichen.

Dr. Stefan Müller


Kategorien: Sonstiges

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