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18. Mrz. 2016

Aufklärung UND Überlegungsfrist vor Operationen

Der Mann war ins Krankenhaus überwiesen worden, um seine Hüftgelenksbeschwerden weiter abzuklären. Eine mögliche Operation war zu diesem Zeitpunkt aber noch kein Thema. Es fand eine Untersuchung statt, es wurden konservative Therapien verordnet. Drei Tage später, um die Mittagszeit, suchten vier Fachärzte den Patienten auf. Und empfahlen dem Mann erstmals in einem 20- bis 30-minütigen Gespräch eine spezielle Operation. Es folgte ein Aufklärungsgespräch mit einem Anästhesisten, erst danach fand am Nachmittag die eigentliche umfassende Aufklärung statt. 

In dieser wurden der Ablauf der Operation, die möglichen Komplikationen und die Behandlungsalternativen geschildert. Angesetzt wurde die OP für 9.55 Uhr am Folgetag, also recht kurzfristig. 

Diese Überlegungsfrist von nur wenigen Stunden sei nicht ausreichend lang gewesen, entschied das Grazer Landesgericht für Zivilrechtssachen. Man benötige Zeit, um das Für und Wider abzuwägen, um alles mit Angehörigen zu besprechen. Immerhin habe es sich bei der Operation (Umstellungsosteotomie des Beckens) um einen beträchtlichen Eingriff gehandelt, der mit erheblichen Risken verbunden sei. Und der Eingriff wäre aus medizinischer Sicht nicht dringend geboten gewesen. 

Der Patient habe daher in der kurzen Zeit nicht wirksam in die OP einwilligen können, befand das Landesgericht. Klären solle das Erstgericht aber noch, ob der Patient der OP auch zugestimmt hätte, wenn er genug Zeit zum Überlegen gehabt hätte. Falls dem nicht so sei, bestehe jedenfalls ein Anspruch auf Schadenersatz. 

Der Krankenhausbetreiber zog noch vor den Obersten Gerichtshof (OGH). Dieser bestätigte aber die Ansicht des Berufungsgerichts. Eine Aufklärung über OP-Risken habe „so rechtzeitig zu erfolgen, dass dem Patienten eine angemessene Überlegungsfrist bleibt, um das Für und Wider der Operation abzuwägen“, sagte der OGH und erinnerte an seine bisherige Judikatur. „Die Überlegungsfrist hat umso länger zu sein, je weniger dringend die ärztliche Maßnahme ist bzw. je größer die damit verbundenen Gesundheitsrisken sind.“ 

Eingriff nicht dringend nötig 

Im aktuellen Fall sei die OP eben nicht dringend notwendig gewesen. Zudem handle es sich bei dem vorgenommenen Eingriff um einen, der überwiegend bei Kindern und Jugendlichen durchgeführt wird. Dort gebe es zwar gute Erfolge. Der Patient in diesem Fall sei aber schon 46 Jahre alt gewesen, weswegen die Erfolgsaussicht niedriger war. 

Unter all diesen Umständen habe das Landesgericht zu Recht entschieden, dass der Patient nicht wirksam in die OP einwilligen konnte, betonte der OGH (1 Ob 252/15p). Sodass Schadenersatz fällig werden kann, auch wenn der ärztliche Eingriff korrekt erfolgt ist.  

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